94 Auf den Kriegsschauplätzen
Manche wertvolle Nachricht ging der Entente zweifellos aus dem
Grunde zu, daß hohe türkische Würdenträger Neigung für sie zeigten
und Verbindung zu ihr unterhielten. So duldete der Kommandant von
Smyrna Rachmi Bey den Fremdeneinfluß dort mehr, als es den. In-
teressen der Mittelmächte gut war. Es zeigte sich, daß die Beziehungen
in diesen Kreisen zur Entente älter waren als die zu Deutschland. Auch
die Hohe Pforte unterstützte nicht unbedingt den Kampf gegen den
Fremdeneinfluß. Man hatte den Eindruck, daß sie sich für alle Fälle eine
Hintertür offen halten wollte. Um so stärker war die Bündnistreue im
Geer ausgeprägt, deren hauptsächlicher Vertreter Enver Pascha war, der
dem Nachrichtendienst jede Förderung zuteil werden ließ. Auch die tür-
kische Bevölkerung war gegen jede Art von Propaganda, auch gegen die
bolschewistische, durch ihren Glauben völlig unempfindlich. Die mili-
tärischen Führer hatten darum doppeltes Verständnis für die Gefahr,
welche Deutschland durch die Jersetzungspropaganda drohte und machten
die deutsche Oberste Heeresleitung auf die sichtbaren schädlichen Folgen
aufmerksam. Es war überhaupt auffallend, wie gut man in Konstan-
tinopel über die Zustände in Deutschland unterrichtet war. Dauernd be-
gaben sich Politiker zu eigener Beobachtung nach Deutschland. Mit
Österreich-Ungarn stellte man sich gut. Seinem Nachrichtendienst brachte
man Zurückhaltung entgegen, weil er sich vor dem Kriege in der Türkei
betätigt hatte, vor allem um geschäftlichen Einfluß zu gewinnen, wo-
von man auch während des Krieges nicht abließ. Infolgedessen war
das Vertrauen zu den Vertretern des österreichisch-ungarischen Staates
geringer als zu denen des deutschen. Gut unterrichtet zeigte man sich
in Konstantinopel auch über die Justände in Bulgarien und warnte
man auch vor den sichtbaren Erfolgen der Propaganda im bulgarischen
Volk und eer.
Der eigene Nachrichtendienst entbehrte des Mittelpunktes: die weit
auseinanderliegenden Kriegsschauplätze, selbständig kämpfenden Armeen
hatten jede ihren Nachrichtendienst.
Ein sehr ausgedehnter und geschickt geleiteter politischer Nachrichten-
dienst erstreckte sich unter militärischer Leitung weit nach Zentralasien
hinein. Er wurde aber als eine eigene türkische Angelegenheit betrachtet
und seine Jiele und Ergebnisse wurden vor dem deutschen Nachrichten-
dienst geheim gehalten.