— 314 —
gestalten, welchem Elende selbst die Preußen ihr Mitleid nicht ver—
sagten und den Hungrigen Brot zur Stärkung reichten.
Nachdem die gefangenen Offiziere ihr Ehrenwort gegeben, die
Waffen nie gegen Preußen führen zu wollen, wurden sie entlassen.
Die Unteroffiziere und Gemeinen zwang man, dem Könige von Preußen
den Eid der Treue zu schwören. Mit innerem Widerstreben ver—
tauschten sie ihre Waffenröcke mit preußischen Monturen, und mit
blutendem Herzen folgten sie Preußens Fahnen und Standarten.
Der sonst so kluge Friedrich hatte sich diesmal gewaltig verrechnet.
Bei der ersten besten Gelegenheit liefen die Sachsen scharenweise davon
und eilten entweder nach Polen, wohin sich auch der Kurfürst mit
Brühl gewendet hatte, oder versammelten sich unter den Fahnen des
Prinzen Xaver, eines Bruders des Kurprinzen.
b) Bündnisse gegen Friedrich II. — Harte Maßregeln gegen Sachsen. —
Schlacht bei Prag, den 6. Mai 1757, und bei Kolin, den 18. Tuni 1757. —
Bittau am 23. Zuli 1757.— Schlacht bei Roßbach, den 5. November 1757. —
Schlacht bei Leuthen, den 5. Dezember 1757.
Friedrichs unerhörtes Verfahren mit Sachsen rief fast ganz
Europa unter die Waffen. Vor aller Welt erklärte ihn der deutsche
Reichstag als einen Landfriedensbrecher, und fast einstimmig beschloß
man, ihn als solchen zu strafen. Frankreich, Rußland, Schweden
schlossen ebenfalls ein Bündniß gegen diesen Landfriedensbrecher,
und nun erst, nicht vor 1756, war es auf Friedrichs Vernichtung
abgesehen. Für jetzt meldete sich ein Feind, der den Waffen Ruhe gebot,
und dies war der Winter. Während dieser Zeit sollten die Preußen
nach den bestandenen Strapazen namentlich in Sachsen der Ruhe
pflegen und sich zu neuen Kämpfen vorbereiten. Der König selbst
schlug sein Hoflager im Brühlschen Palais zu Dresden auf. Seine
Maßregeln gegen Sachsen waren die härtesten, die man sich denken
kann. Zur Erhaltung der sämmtlichen Truppen (die in Schlesien
mit gerechnet) waren monatlich fast drei Millionen Mark erforderlich,
von welcher Summe Sachsen das Meiste aufzubringen hatte. Um
sein Heer immer mit sächsischem Gelde besolden zu können, zog Friedrich
die Gehalte der sächsischen Beamten ein, oder setzte sie auf ein sehr
geringes Maß herab. Der Kurfürstin überließ er mit ihren Hofleuten
nur den Rest einer Kasse von 23 400 M., und als sich der Kur-
prinz darüber beschwerte, wies er ihn kalt zurück. Zwar nahm sich
die Kaiserin Elisabeth von Rußland der hartbedrängten Kurfürstin an
und übersendete ihr ein Geschenk von 100 000 Silberrubel, allein
da die Landesmutter von allen Seiten mit Bitten bestürmt wurde, war
diese Hilfsquelle sehr bald wieder erschöpft. Um das Maß des Elends
vollzumachen, trat der Winter des neuen Jahres (1757) mit furcht-
barer Strenge auf. Abgemagerte Menschengestalten wankten scharen-