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Da Oesterreich über seine Pläne im tiefsten Schweigen verharrte,
so stieg unsers Königs Verlegenheit mit jedem Tage, zumal da die
Nachrichten aus Sachsen immer trüber lauteten. Dasselbe über—
schwemmten nicht blos die Franzosen, sondern auch die Russen und
Preußen, und mit Gewißheit war vorauszusehen, daß der sächsische
Grund und Boden bald wieder Zeuge der blutigsten Waffenthaten
werden würde.
Um das Vordringen der Russen und Preußen zu hemmen,
steckten die Franzosen die Meißner Elbbrücke (den 13. März 1813)
in Brand.
Einige Tage vorher hatte Dresdens Bewohner ebenfalls Zittern
und Zagen ergriffen. In der Stadt verbreitete sich nämlich das
Gerücht, die Franzosen wollten die herrliche Elbbrücke, diese Zierde
Dresdens, zerstören. In der That sah man auch beim vierten Pfeiler
(von der Altstadt aus) Arbeiter beschäftigt, welche das Pflaster auf—
rissen und eine große Vertiefung anbrachten. Die Erbitterung stieg
aufs höchste und es kam zwischen den sonst so friedlichen Bewohnern
Dresdens und den Franzosen zu ernstlichen Auftritten. Was man
befürchtete, sollte sich nur zu bald erfüllen. Eines Morgens (den
19. März) las man an den Straßenecken folgenden Anschlag:
„Sämmtlichen Einwohnern Dresdens wird bekannt gemacht, daß, sobald
heute Morgen drei Kanonenschüsse gehen, jedermann sich schleunigst nach
Hause zu begeben und nicht eher als drei Stunden nach Abland dieser
Kanonenschüsse seine Wohnung zu verlassen hat.“
Nach 8 Uhr morgens wurden diese verhängnißvollen Kanonen=
schüsse vernommen, und einige Zeit später setzte ein dumpfer Knall
alles in Schrecken. Des Pulvers Macht hatte den bezeichneten Pfeiler
nebst zwei Bogen zerstört. Im Ganzen war diese Maßregel eine
nutzlose, da die schwache französische Besatzung die vordringenden
Russen und Preußen an Errichtung einer Schiffbrücke nicht zu ver-
hindern vermochte. In ziemlich kläglichem Zustande zogen sich die
Franzosen aus Dresden zurück, und niemand mochte wohl ahnen, daß
sie in wenigen Wochen, mit ihrem Kaiser an der Spitze, in Dresden
als Sieger einziehen würden.
Napoleon hatte nämlich wieder ein neues Heer geschaffen, das
kampfbegierig vordrang, um den erlittenen Schimpf der Kameraden
zu rächen. Auf die Kampflust seiner Armee und auf sein außer-
ordentliches Feldherrntalent bauend, hoffte er zuversichtlich, die er-
haltene Scharte vollständig wieder auszuwetzen. Nur eines fehlte
seinem neuen Heere, und dies war gute Kavallerie. Am 2. Mai (1813)
stand das neugeschaffene französische Heer in der Gegend von Lützen
den vereinigten Russen und Preußen bei dem Dorfe Großgörschen
gegenüber. Ein furchtbarer Kampf brach los. Ruhmvoll bestanden
beide Theile die erste Feuerprobe. Der Tag begann sich zu neigen
Geschichte Sachsens. 25