— 411 —
Noch an demselben Tage drückte der König seine Empfindungen,
die sein Herz bewegten, in einer Proklamation an das Volk aus.
Dieselbe verdient für alle Zeiten den Sachsen erhalten zu werden
und lautet:
„Euer König ist in eure Mitte zurückgekehrt, zwar tief gebeugt von
den Leiden, die ihn und euch getroffen haben, und durchdrungen von den
Schmerzen der Trennung, die einen großen Theil seiner treuen und geliebten
Unterthanen ihm entrissen hat, aber nicht ohne den Trost, den ihm das
Vertrauen und die Liebe und der Sinn des ihm übriggebliebenen Volkes
gewährt. Ihr habt den alten Ruhm der Sachsen in der Zeit, wo Wir von
euch getrennt wurden, bewährt und erhöht. Ihr habt das Unvermeidliche
ruhig ertragen, ihr habt unter allen Ereignissen, die euch niederdrückten,
den Sinn für Recht und Pflicht in euch lebendig erhalten, ihr habt eure
Anhänglichkeit an Uns und Unser königliches Haus vor den Augen von
ganz Europa laut und unzweideutig ausgesprochen. Wie sollten Wir bei
dem Geiste, der euch belebt, bei den Gesinnungen, die ihr gegen Uns zu Tage
gelegt habt, Uns nicht der beruhigenden Zuversicht überlassen, daß es Uns,
durch Unsere und eure Anstrengungen vereinigt, gelingen werde, die tiefen
Wunden, die das Unglück der Zeit euch geschlagen hat, zu heilen, und
Wohlstand und Zufriedenheit unter euch wieder zu verbreiten!“
Das Versprechen, wieder Wohlstand im Sachsenlande zu
verbreiten, hat Friedrich August aufs gewissenhafteste zu erfüllen
gesucht. In jener Zeit war diese Aufgabe nicht leicht zu lösen. Bei
seiner Rückkehr fand der König fast keinen Heller in den Landeskassen
und doch mußte er sogleich gegen Napoleon beinahe 20 000 Mann
ausrüsten. Hierzu kam, daß in den Jahren 1816 und 1817 wegen
großer Nässe Mißwachs eintrat und eine allgemeine Hungersnoth,
namentlich im Erzgebirge und im Voigtlande, ausbrach.
Was Fürsten und Völker zu erreichen vermögen, sobald sie mit
festem Gottvertrauen die ihnen verliehenen Kräfte und Mittel gewissen-
haft anwenden, zeigte sich recht sichtbar in jenen schweren Zeiten an
unserm schwer heimgesuchten Sachsen. Zunächst verminderte der
König seinen Hofstaat, beschränkte die Ausgaben und ordnete das
Abgabenwesen. Die neue Kriegslast erfuhr dadurch eine bedeutende
Erleichterung, daß Frankreich nach Napoleons gänzlicher Besiegung
eine ansehnliche Kriegssteuer aufbringen mußte, von welcher Summe
beinahe zwei Millionen Thaler unserm Vaterlande zuflossen. War
auch der Druck in beiden Theuerungsjahren bitter, so hatten sich doch
alle Verhältnisse wieder soweit geordnet, daß der König bedeutende
Summen zum Ankauf von Getreide und Kartoffeln anweisen konnte.
Damit dem Handel wieder aufgeholfen werde, erhielten die
Leipziger Messen allerlei Begünstigungen. Der Verkehr im Inlande
erfuhr durch Verbesserung der Chausseen, welche in den Jahren
von 1805 bis 1815 durch den Transport der Geschütze und die
Armeezüge ungemein gelitten hatten, und durch Anlegung neuer eben-
falls große Erleichterung. Dieser Umstand unterstützte einen andern
Fortschritt. Kurz nach 1820 wurde das Postwesen umgestaltet.