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vaterländischen Kirchen statt. Dem in seinem Leben so schwergeprüften
königlichen Greise schenkte Gott die unaussprechliche Gnade, daß er
in vollem Genusse aller geistigen und körperlichen Kräfte den Jubeltag
seiner fünfzigjährigen Regierung feiern konnte. Außerdem erfuhr er
auch, wie wahr des Propheten Ausspruch sei: „Säet Gerechtigkeit,
und ihr erntet Liebe!“ Das treue Sachsenvolk schenkte dem seltenen
Ereignisse die freudigste, die herzlichste Theilnahme. Ebenso beeiferten
sich fast alle europäischen Fürsten, dem Jubilar durch außerordentliche
Gesandte ihre Glückwünsche darzubringen. Als die Stände den König
baten, ihm zur Erinnerung an diesen festlichen Tag ein Denkmal
errichten zu dürfen, lehnte er die Bitte mit den Worten ab: „Ich
finde das schönste Denkmal in der Zufriedenheit meiner Unterthanen
über die lange Dauer meiner Regierung.“ Indes unterließ man
nicht, das Gedächtniß dieses Jubeltages durch äußere Erinnerungs-
zeichen zu erhalten. So schmückte man z. B. die Marktplätze zu
Bischofswerda, zu Stolpen mit dem ehernen Brustbilde des Königs.
Ferner errichtete man auf dem zwischen Kamenz und Königsbrück
gelegenen Keulenberge eine Granitsäule und nannte ihn von jetzt an
Augustusberg.
Zu Anfange des Jahres 1818 beging das hohe Königspaar
sein goldenes Ehejubiläum, welches mit gleich herzlicher und freudiger
Theilnahme im ganzen Lande gefeiert wurde.
Die streng geordnete Lebensweise, von welcher Friedrich August
nie abwich, erhielt ihm bis in sein höchstes Alter die Frische seines
Körpers und Geistes, so daß er bis wenig Tage vor seinem Tode
alle Regierungsgeschäfte mit derselben Genauigkeit besorgen konnte,
wie in seinen jüngeren Jahren. Plötzlich erkrankte er in der Nacht
vom 2. bis 3. Mai 1827, und am 5. Mai in der 6. Morgenstunde
entschlief er schmerzlos und in Frieden in seinem 77. Lebens= und
im 59. Regierungsjahre. An König Friedrich August hatte sich
das Schriftwort als volle Wahrheit bestätigt, welches bei dem Trauer-
gottesdienste in Sachsens Kirchen benutzt wurde: „Ich will ihn sättigen
mit langem Leben und will ihm zeigen mein Heil.“ (Psalm 91, 16.)
So war ein reiches, vielbewegtes Leben beschlossen. Mit Aus-
nahme Heinrich des Erlauchten hatte kein sächsischer Fürst das Scepter
der Regierung so lange geführt, als der entschlafene edle Greis.
Sehr natürlich, daß man über einen Fürsten, der über ein halbes
Jahrhundert das Schicksal eines Landes in glücklichen und in schweren
Verhältnissen geleitet, auch mancherlei Urtheile fällte. Mögen
dieselben in Diesem oder Jenem auseinander gehen, in Folgendem
stimmen sie überein: Friedrich August war ein allgemein geachteter
Fürst, den die strengste Rechtlichkeit und Gerechtigkeit zierte, der sein
gegebenes Wort heilig und unverbrüchlich hielt, der mit Umsicht und
größter Gewissenhaftigkeit alle seine Regierungsgeschäfte leitete, dem
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