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der Unruhen mit Waffen zu versehen. — Jene Vorgänge erfüllten
das Gemüth des Königs mit dem tiefsten Schmerze, zumal da man
ihm fortwährend versichert hatte, daß das Volk vollkommen zufrieden
sei und sich ganz glücklich befinde. Tief gerührt rief er aus: „Ich
habe geglaubt, daß mein Volk mich liebe; ich habe keinen gekränkt
und alles so gelassen, wie es unter meinem Bruder war.“
Um dem Ausbruche neuer Unruhen vorzubeugen, ernannte der
König unter dem Vorsitz des Prinzen Friedrich August eine Kommission
zur Aufrechthaltung der Ordnung. Zunächst sorgte dieselbe für Be—
waffnung der Bürger und legte auf diese Weise den Grund zu der
später in allen Städten errichteten Kommunalgarde. Ferner erbot
sie sich, Wünsche und Anträge der Bürgerschaft annehmen zu wollen,
welche sich auf Einrichtungen in der Stadt und im Lande bezogen.
Da sich bei einem großen Theile des Volkes die Ansicht ausgebildet
hatte, daß der damalige Kabinetsminister Graf von Einsiedel zu sehr
am Alten festhalte und gegen jede Verbesserung im Staatswesen sei,
so entließ ihn der König und ernannte den Freiherrn von Lindenau
zu seinem Nachfolger.)
Kurze Zeit darauf erregte unter der Bevölkerung eine andere
Nachricht die innigste Freude. Am 13. September ernannte der König
*) Es liegt in der Natur der Sache, daß die Thätigkeit hochgestellter
Staatsbeamter nach allen Richtungen hin beobachtet und beurtheilt wird.
Graf Einsiedel hatte schon unter Friedrich August dem Gerechten die Staats-
angelegenheiten jahrelang geleitet und sich des vollen Vertrauens seines
königlichen Herrn zu erfreuen gehabt; in gleicher Wirksamkeit verblieb er auch
unter König Anton bis zum Jahre 1830. Seine Thätigkeit als Staatsmann
erfuhr die verschiedenste Beurtheilung. Man machte ihm zum Vorwurf,
daß er auf die Entscheidungen des Königs einen zu großen Einfluß ausgeübt,
daß er ihm die Wünsche des Volkes und den wahren Zustand des Landes
verschwiegen, daß er sich in Regierungsgeschäfte gemengt habe, die nicht
seines Amtes gewesen wären 2c.
Mgen diese und ähnliche Ausstellungen auch nicht ganz unbegründet
sein, so war es offenbar die größte Ungerechtigkeit, wenn man ihn in jenen
Tagen der Aufregung mit Brühl verglich. Daß Graf Einsiedel den König
absichtlich getäuscht, daß er ihm die Regierungsgeschäfte unvermerkt aus der Hand
gewunden, was ihm übrigens bei Friedrich August dem Gerechten wohl nie
hätte gelingen können, daß er, wie Brühl, das Mark des Landes ausgesogen
habe 2c. — das konnte nur Bosheit behaupten. Unerklärlich bleibt es z. B.
allerdings, daß Einsiedel, dem man tiefe Menschenkenntniß zuschrieb, einzelnen
Personen zu arglos sein ganz Vertrauen schenkte. Wie sehr sich manche
Unwürdige diese Schwäche zu Nutze machten und den Minister bitter täuschten,
ist bekannt. Zählte er diese Erfahrungen auch selbst mit zu den unangenehmsten
seines Lebens, so konnte dieses Bekenntniß doch nicht verhindern, daß
jene Vorkommnisse die Ursache mancher harten Urtheile über ihn wurden.
War anderen seine Wirksamkeit für Mission und Bibelverbreitung ein Stein
des Anstoßes, so lag die Ursache hiervon hauptsächlich in der religiösen
Richtung jener Zeit. Manche erkannten damals irrthümlicherweise in solch
einer Thätigkeit nur den Ausfluß einer finsteren Geistesrichtung.