— 449 —
er zu dem obenerwähnten Priester: „Damit will ich den Kindern
meines lieben Bruders eine Freude machen. Ich selbst habe keine
Kinder; nun sind die Kinder meines Bruders auch meine Kinder; ich
versichere, wir leben so ganz in Frieden und Eintracht; sind ja Frieden
und Eintracht so köstliche Güter dieser Welt!“
Wie unerschrocken der König den Gefahren der Reise entgegen
trat, zeigte sich namentlich an diesem Tage. Nicht weit von dem
genannten Alpenhause kamen die Reisenden in die Nähe eines Weilers,
wo sich acht Tage vorher ein gewaltiger Felsblock abgelöst hatte,
welcher krachend herabgerollt war. Vor jenem Orte von einem
benachbarten Pfarrer bewillkommnet, wurde der König von letzterem
gebeten, jene gefahrvolle Stelle auf einem Seitenwege zu umgehen.
Allein Friedrich August schritt unerschrocken weiter. Kaum war man
vorüber, da „ging eine furchtbare Steinbatterie los, die den Staub hoch
in die Lüfte hinaufwirbelte und mit donnerartigem Tosen in die Tiefe
hinabstürzte, wo die ungeheuren Felsmassen mit solcher Gewalt zer-
schellten, daß die Splitter nach allen Seiten herumflogen — ein
wahrhaft furchtbares Schauspiel, das der König mit größter Ruhe
betrachtete."
Abends ½10 Uhr war Silz erreicht. Der König stieg im
Gasthofe zur Post ab, schrieb noch einen Brief — es war der letzte
in seinem Leben — an seine in Bayern zurückgebliebene Gemahlin
und begab sich gegen 12 Uhr zur Ruhe.
Am nächsten Tage — es war der verhängnißvolle 9. August —
reiste der König morgens um 7 Uhr ab und verabschiedete sich mit
den Worten von dem Priester Morigl: „Bleiben Sie meiner im
Gebete eingedenk!“ Jetzt bestieg der König seinen eigenen Wagen,
welcher mit Postpferden bespannt war. Gegen 9 Uhr erreichte man
Imst. Von hier aus sollte dem nahen Pitzthale ein Besuch abgestattet
werden. „Nur noch das Pitzthal“, hatte der König am Abend vorher
gesagt, „und es giebt in Tyrol kein Thal von Bedeutung mehr, das
ich nicht kenne.“ Allein dieses Thal sollte sein Auge nicht schauen.
Schon stand er an den Pforten des Todesthales, das sich ihm in
wenig Minuten öffnete. .
Die von Imst nach dem Eingange in das Pitzthal führende
Straße zählt viele kurze Wendungen, weshalb der Postmeister jenes
Ortes dem Könige den Rath ertheilte, nicht seinen eigenen, sondern
einen kleineren Wagen zu benutzen. Man nahm deshalb ein sogenanntes
„Einspannwägele“ und bespannte es des schlechten Weges halber
mit zwei Pferden. Der den Wagen fahrende Postillon galt allgemein
als ein umsichtiger, besonnener Mann. In Folge heftiger Regengüsse
befand sich der Weg in schlechtem Zustande. Glücklich erreichte man
das Wirthshaus zu Brennbüchl. Unterhalb desselben „ließ der Postillon
die durchaus ruhigen Pferde ganz langsam gehen, stieg, sobald die
Geschichte Sachsens. 29