Full text: Geschichte des Königreichs Sachsen mit besonderer Berücksichtigung der wichtigsten culturgeschichtlichen Erscheinungen.

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Innung, Schuhmacher-Innung 2c. sprach. Was soll dies heißen? 
Alle Meister in einer Stadt, die ein und dasselbe Gewerbe trieben, 
bildeten einen von der Obrigkeit bestätigten Verein (eine Körperschaft), 
welcher das Recht hatte, sein Gewerbe nach gewissen Vorschriften 
oder Gesetzen auszuüben, und denen die Ausübung desselben Gewerbes 
zu verbieten, welche der Innung nicht als Mitglieder angehörten. 
In der frühesten Zeit durften sich auf dem Lande gar keine Handwerks- 
meister niederlassen. Später gestattete man es wenigstens solchen, 
welche für Beschaffung der nächsten Haus= und Wirthschaftsbedürfnisse 
am unentbehrlichsten waren, z. B. Böttcher, Fleischer, Glaser, Schmiede, 
Schneider, Schuhmacher, Tischler 2c. Ueberdies hatte jede Innung 
noch eine Menge Vorschriften, welche streng innegehalten werden 
mußten. Da gab es Bestimmungen über die Dauer der Lehr= und 
Wanderzeit, über das von jedem Gesellen zu fertigende Meisterstück, 
über die Zahl der Gesellen, die manche Meister halten durften, über 
den Herbergszwang 2c. 
Jahrhunderte lang hatte sich das Zunftwesen unter dem Schutze 
der Regierungen erhalten und wirkte zu seiner Zeit gewiß recht 
segensreich. Alle menschlichen Einrichtungen bedürfen aber im Laufe 
der Zeit der Verbesserung. Auch das Innungswesen konnte sich in 
seiner alten Gestalt nicht mehr halten. So entstanden z. B. zwischen 
Schlossern und Schmieden, zwischen Riemern und Sattlern, zwischen 
Damen= und Herrenschneidern und anderen in den Arbeiten verwandten 
Handwerkern fortwährend Streitigkeiten, weil Dieser oder Jener 
Arbeiten geliefert haben sollte, die in eine andere Zunft einschlugen. 
Den Todesstoß erhielt aber das streng ausgebildete Innungs- 
wesen durch die Fabriken. So mußte es z. B. die Färberzunft ruhig 
geschehen lassen, daß Färbereien im größten Maßstabe angelegt, und 
daß in denselben Fabrikarbeiter verwendet wurden, welche die Färbe- 
kunst nicht zunftmäßig erlernt hatten. Von den Webern, Strumpf- 
wirkern und anderen Zunftangehörigen galt dasselbe. Noch mehr! 
Die Fabriken wurden an dem geeignetsten Platze angelegt, gleichviel 
ob Stadt oder Land, und so fiel auch die von den Zünften aufrecht 
erhaltene Scheidewand zwischen Dorf und Stadt. Dessenungeachtet 
zählte das alte Innungswesen der Freunde viele. Einen Grund 
zu dieser Erscheinung lieferten Preußens Gewerbsverhältnisse. Dort 
hatte man schon 1810 und 1811 alle Vorrechte der Zünfte auf- 
gehoben und ziemlich unbedingte Gewerbefreiheit gestattet. Natürlich 
wanderten aus den Nachbarländern eine Menge Gesellen in Preußen 
ein, ließen sich hier nieder und überluden auf diese Weise den 
Handwerkerstand. Von allen Seiten erhoben sich aus der Mitte 
desselben Klagen. Die Regierungen anderer Länder machte diese 
Wahrnehmung über die Zweckmäßigkeit der Gewerbefreiheit zweifel- 
haft, und die Anhänger des Zunftwesens glaubten hierin einen aus-
	        
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