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287 Häuser in Asche. Welch ein entsetzliches Bild des Elends bot
diese furchtbare Brandstätte dar! Anfangs, als die Flammen nur
einige Häuser ergriffen hatten, konnte man an Rettung der Habselig-
keiten denken; aber als links und rechts, vor= und rückwärts Feuer-
säulen emporstiegen, da mußte jeder nur an Rettung des eigenen
Lebens denken. Die Kirche, Pfarre, die eben gehobene neue Schule,
das Rathhaus, das Postgebäude, das Gerichtsamt 2c. — alles ward
ein Raub der Flammen.
Da fand die Wohlthätigkeit reiche Gelegenheit, die Hand zu
öffnen. Und in der That flossen selbst aus den entferntesten Gegenden
Deutschlands den aller Habe beraubten unglücklichen Einwohnern
reiche Liebesgaben zu.
Am 24. August besuchte König Johann die Brandstätte. Wie
ein liebevoller Vater sein Herz den leidenden Kindern öffnet, so theil-
nehmend zeigte sich auch des Königs Herz gegen seine unglücklichen
Landeskinder; wie jene aber auch in ihrem Schmerze die väterliche
Theilnahme erquickt, so ermuthigend wirkte auch das Wort des Trostes
aus dem Munde des Königs auf die Unglücklichen.
Der 2. August 1869 war Zeuge eines noch weit größeren
Unglückes, als das im Jahre 1867. In einem Steinkohlenwerke
des plauenschen Grundes unfern Großburgk fanden am genannten
Tage 270 Bergleute, die meisten wahrscheinlich in einem Augenblicke,
ihren Tod. Die Opfer ihres mühseligen Berufs waren nicht etwa
alternde Greise, sondern rüstige Bergleute, unter ihnen sehr viele
Familienväter im besten Mannesalter, ferner Jünglinge in der
schönsten Blüte ihrer Jugend und den Schuljahren kaum entwachsene
Knaben. Herzzerreißend war der Jammer der Hinterlassenen, unter
denen sich mehr als 200 Witwen und 650 vaterlose Waisen befanden.
Viele Hände, selbst in fernen Landen, öffneten sich zur Darreichung
einer Spende für die, deren Versorger so plötzlich ein Raub des
Todes geworden waren.
Vorherrschend entwickelt sich in Kohlengruben das leicht ent-
zündliche Kohlenwasserstoffgas, dessen Entzündung von den Bergleuten
schlagende Wetter oder Schwaden genannt werden. Um diese
Gasart möglichst unschädlich zu machen, sind allerlei Vorkehrungen
zum Luftwechsel getroffen. Dieser wurde diesmal jedenfalls durch
die Gewitterschwüle, welche die Atmosphäre erfüllte, gehemmt. Die
Gase, durch irgend einen uns unbekannten Vorgang entzündet,
wurden zu furchtbar schlagenden Wettern, die alles, was niet= und
nagelfest war, zertrümmerten und das Leben so vieler Menschen
sicherlich augenblicklich vernichteten. Da die gefährlichen Gase noch
längere Zeit ausströmten, so konnte man die Leichen erst nach zwei
Tagen aus der verhängnißvollen Kohlengrube hervorholen, und