Full text: Geschichte des Königreichs Sachsen mit besonderer Berücksichtigung der wichtigsten culturgeschichtlichen Erscheinungen.

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Seuche jemanden, so wurde der Körper mit einem schwarzen Aus- 
schlage bedeckt, die Zunge schwoll an, wurde gelähmt, veränderte ihre 
Farbe und wurde schwarz, als sei sie mit Blut unterlaufen. Die Pa- 
tienten quälte ein brennender Durst, den kein Getränk zu löschen im 
Stande war. Heftige Brustbeklemmungen stellten sich ein, die durch 
fortwährendes Blutbrechen noch vergrößert wurden. Nach drei Tagen 
erlag der Kranke fast regelmäßig dieser Seuche. Wer in des Kranken 
Nähe weilte, wurde ebenfalls von der Pest, die man den schwarzen 
Tod nannte, ergriffen, so daß sich manche Städte und Dörfer ganz 
entvölkerten. In Erfurt allein starben 16 000 und in Weimar 
5000 Menschen. In Asien und Europa wurden weit über 100 Mil- 
lionen Menschen hingerafft. 
Noth lehrt beten. Die Wahrheit dieses Sprichwortes bestätigte 
sich auch in jener Zeit. Leider benutzten manche Menschen dieses 
Unglück, ihre unwissenden Mitbrüder von der rechten Art des Betens, 
von der rechten Art der Buße und der rechten Art der Bekehrung zu 
dem Herrn unsern Gott abzulenken und zu bloßen äußerlichen Buß- 
übungen, die schon unser Heiland verworfen hat, hinzuführen. Schon 
300 Jahre früher, ehe der schwarze Tod über Europa zog, hatte sich 
in Italien und Frankreich der Irrthum geltend gemacht, man könne 
über seine Sünden nicht besser Buße zeigen, als wenn man seinen 
Leib geißele. Hunderte, ja Tausende von Menschen, die man Geißel- 
brüder oder Geißler nannte, vereinigten sich zu Gesellschaften, 
durchzogen Dörfer und Städte, geißelten ihren entblößten Körper 
öffentlich und suchten sich einen immer größeren Anhang zu verschaffen. 
Sehr bald führten diese Aufzüge zu den größten Unordnungen und 
Mißbräuchen, und die Obrigkeit sah sich genöthigt, diesem Unfug ge- 
waltsam zu steuern. 
Vor dem Ausbruche des „schwarzen Todes“ war das Treiben 
der Geißelbrüder, wenigstens in Deutschland, ziemlich unterdrückt; 
aber kaum hatte die verheerende Pest zu wüthen begonnen, so regten 
sich die Geißler in Deutschland wieder, und wie es scheint, zuerst in 
unserm Meißnerlande. Zahlreiche Gesellschaften, die sich jetzt nicht 
Geißler, sondern Kreuzbrüder nannten, durchzogen paarweise sin- 
gend das Land und forderten die geängstigten Leute auf, Buße zu 
thun, damit Gott die schwere Plage, die das Land heimsuchte, in 
Gnaden wieder abwenden möge. Dem Zuge voran wehte eine Kreuz- 
fahne von Sammet oder Seide, dann folgten die Pilgrime mit nacktem 
Oberkörper, Kreuze an Hüten und an anderen Kleidungsstücken und 
in den Händen Geißeln tragend, welche mit eisernen Stacheln ver- 
sehen waren. Erreichte der Zug eine Kirche, so fielen die Kreuz- 
brüder dreimal zur Erde und sangen entweder gemeinschaftlich, oder 
ließen ihren Anführer einen Gesang anstimmen. Die Bußübungen 
bestanden nicht in Reue und Leid, sondern in sonderbaren äußerlichen
	        
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