§ 9. 2. Der Bundesrat. 17
Rechte der Einzelstaaten als Mitglieder des Reiches, andrerseits die
Machtbefugnisse des Reiches selbst als eines Ganzen ausübt und zur
Geltung bringt. Ersteres geht daraus hervor, daß die Mitglieder
des Bundesrates nach den ihnen von ihrer eigenen Staatsregierung.
erteilten Instruktionen ihre Stimmen abzugeben haben und dem-
gemäß ihrer Regierung für diese Abstimmung verantwortlich sind.
Nach dem Ausspruche des Fürsten Bismarck in der Sitzung des
konstituierenden Norddeutschen Reichstages vom 27. März 1867
(Stenogr. Bericht S. 388) „findet innerhalb des Bundesrates.
die Souveränität einer jeden Regierung ihren unbestrittenen
Ausdruck.“ Dies gilt auch für die Verfassung des deutschen Reiches.
Jeder deutsche Bundesstaat hat als Mitglied des deutschen Reiches.
einerseits und infolge dieser seiner Mitgliedschaft andrerseits das un-
entziehbare Recht auf Anteilnahme am Bundesrat. Die Mitglieder
des Bundesrates werden demgemäß von den betreffenden Bundes-
staaten ernannt.
Elsaß-Lothringen hat selbstverständlich keine Stimme im Bun-
desrat, da es nicht Mitglied des deutschen Reiches, sondern Reichs-
land ist.:2) — Während nun der Kaiser als Vertretungs= und
Regierungsorgan des Reiches erscheint, ist der Bundesrat anderer-
seits Gesetzgebungsorgan des Reiches und übt seine Gesetz-
gebungsthätigkeit teils unter Mitwirkung des Reichstages (Reichs-
gesetzgebung) durch die Sanktionierung der vom Reichstage beschlosse-
nen Gesetze, teils selbständig durch eigene Verordnungen aus 3); in
gewisser Beziehung ist er aber auch Verwaltungsorgan: Organ der
Instizverwaltung und der Rechtspflege, der aktiven Verwaltung und
der Verwaltungsrechtspflege, indem er nach Art. 7 Abs. I Ziff. 3
über Mängel zu beschließen hat, welche „bei der Ausführung der
(also: aller) Reichsgesetze oder der in Art. 7 erwähnten Verwaltungs-
vorschriften und Einrichtungen hervortreten, mit Ausnahme jedoch
des Art. 3 Abs. 3 d. R.-V. — Er ist aber andrerseits keine Reichs-
behörde, sondern eine politische Körperschaft (laut Entscheidung des
Reichsgerichts in Strafsachen Bd. VII S. 382).
Nach Art. 6 der Reichsverfassung hat der Bundesrat 58 Stimmen.
Hievon entfallen auf Bayern 6 Stimmen; auf Preußen 17, Sachsen.
und Württemberg je 4, Baden und Hessen je 3, Meklenburg-Schwerin
und Braunschweig je 2, die übrigen Bundesstaaten je 1 Stimme.
Jedes Mitglied des Bundes kann so viel Bevollmächtigte zum Bundes-
rate ernennen, wie es Stimmen hat; doch kann die Gesamtheit der
zuständigen Stimmen nur einheitlich abgegeben werden. So kann
also z. B. Bayern sechs Mitglieder zum Bundesrate ernennen. Diese
können aber nicht einzeln verschieden stimmen, sondern die Gesammt-
1) Vgl. Lab. 1, 208. Pröbst, Anm. 2 zu Art. 6 d. R.-Verf. S. 54.
*!) Art. 7 Abs. 1 Z. 1 auch 2 und Art. 5 d. Reichs-Verf.
Pohl, Handbuch. I. 2