18 § 9. 2. Der Bundesrat.
heit der sechs bayerischen Stimmen ist einheitlich entweder für oder
gegen den betreffenden Antrag oder die betreffende Vorlage abzugeben.
Es ergiebt sich dies daraus, daß im Bundesrate nicht der Wille
des betreffenden Vertreters, sondern derjenige des Staates, welchen
er zu vertreten hat, zum Ausdruck zu bringen ist. Es stimmen eben
nicht die bevollmächtigten Vertreter der Staaten, sondern die Staaten
selbst. Der Bundesrat wird vom Kaiser berufen, wie auch der
Kaiser den Mitgliedern des Bundesrates den üblichen diplomatischen
Schutz zu gewähren hat (Art. 10 und 12 der Reichsverfassung).
Ueber den Wirkungskreis, den Geschäftsgang und die sonstigen Be-
fugnisse des Bundesrates und der Bundesrats-Ausschüsse, sowie über
die Bildung und Zusammensetzung der letzteren, siehe Art. 5 und Art.
7 bis 9, ferner Art. 11, Absatz 2 und 3, Art. 19, 24, 36 Absatz
2 und 3, 39 Absatz 2, 72, 76 der Reichsverfassung und Commentar
hiezu von Pröbst, ferner Laband 1, S. 207 bis 255, speciell S. 230.
Bemerkt sei nur noch, daß die einzelnen Mitglieder des Bundes-
rates keine Reichsorgane sind, sondern nur der Bundesrat als solcher,
als Ganzes, ferner daß nach Art. 78 Absatz 1 der Reichsverfassung
Anträge auf Verfassungsänderungen abgelehnt sind, wenn sie im
Bundesrate 14 Stimmen gegen sich haben, endlich, daß die süddeutschen
Staaten, speziell auch Bayern, selbstverständlich insoweit von der
Beschlußfassung im Bundesrate ausgeschlossen sind, als andrerseits
das Reich infolge der diesen Staaten eingeräumten Reservat= oder
Sonderrechte — und zwar auf Grund der Verfassung — von
der Ausübung des Gesetzgebungs= oder sonstigen Hoheitsrechtes bezüg-
lich dieser Staaten ausgeschlossen erscheint, vergl. Art. 7, Absatz 4
der Reichsverfassung.
Näheres hierüber siehe unten: II. Abschn., Verhältnis Bayern's
zum Reiche, §8§ 33—35.
Außer den in der Verfassung selbst enthaltenen Sätzen über die
formelle Erledigung der Bundesrats-Geschäfte sind die Regeln hier-
über in der Geschäftsordnung für den Bundesrat niedergelegt.
Eine solche ist vom Bundesrat am 27. Februar 1871 beschlossen und
durch Beschluß desselben vom 26. April 1880 neu revidiert worden.
Letztere Fassung ist die jetzt giltige.
Wie die Berufung, so steht auch die Eröffnung, Vertagung und
Schließung des Bundesrates dem Kaiser zu (Art. 12 der Reichs-
verfassung; cfr. auch weiter Art. 13 und 14 l. c.). Den Vorsitz im
Bundesrate und die Leitung der Geschäfte führt nach Art. 15, Absatz
I I. c. der Reichskanzler. Der Reichskanzler kann sich durch jedes
andere Mitglied des Bundesrates vermöge schriftlicher Substitution
vertreten lassen. Hier ist aber das bayerische Sonderrecht zu
nennen, daß der Vertreter der bayerischen Regierung im Falle der
Verhinderung Preußens den Vorsitz im Bundesrate zu führen hat.