Full text: Handbuch des Staats- und Verwaltungs-Rechts für das Königreich Bayern. Band I. Das Deutsche Reich und das Königreich Bayern. (1)

486 8§ 90. Die Verfassungsurkunde des Königreichs Bayern. Tit. IV. 
Die Kirchen und Geistlichen sind in ihren bürgerlichen Hand- 
lungen und Beziehungen — wie auch in Ansehung des ihnen zustehen- 
den Vermögens den Gesetzen des Staates und den weltlichen Gerichten 
untergeben; auch können sie von öffentlichen Staatslasten keine Be- 
freiung ansprechen. 52) , 
Die übrigen näheren Bestimmungen über die äußeren Rechts— 
verhältnisse der Bewohner des Königreichs, in Beziehung auf Religion 
und kirchliche Gesellschaften, sind in dem der gegenwärtigen Verf.= 
Urk. beigefügten besonderen Edikte enthalten. (Beilage II.) 
§ 10. Das gesamte Stiftungs-Vermögen nach den drei Zwecken 
des Kultus, des Unterrichts und der Wohlthätigkeit wird gleichfalls 
unter den besonderen Schutz des Staates gestellt; es darf unter keinem 
Vorwande zu dem Finanz-Vermögen eingezogen und in der Substanz 
für andere als die drei genannten Zwecke ohne Zustimmung der Be- 
teiligten und bei allgemeinen Stiftungen ohne Zustimmung der 
Stände des Reiches veräußert oder verwendet werden. 55) 
nicht überschreiten". S. § 51 der 2. Verf.-Beil. Dies vorausgesetzt kann die 
Kirchengewalt „gegen jede Verletzung ihrer Rechte und Gesetze den Schutz der 
Staatsgewalt anrufen“. Und dieser Schutz ist nicht blos ein allgemeiner, wie er 
aus der juristischen Persönlichkeit der Kirchengesellschaften überhaupt hervorgeht, 
sondern auch ein speziell polizeilicher und bezw. strafrechtlicher nach folgenden be- 
sonderen Bestimmungen: 
a. Pol.-Str.-Ges. Buch von 1871 Art. 2 Ziff. 5 mit 8 366 Ziff. 1 des 
Reichs-Str.-Ges.-Buches und hiezu Verordn. vom 21. Mai 1897 „die 
Feier der Sonn= und Festtage betr.“ Ges. und Verordn.-Bl. 197 ff. 
(Näheres Bd. III § 322); 
b. Reichsgewerbeordnung: die Bestimmungen über die Sonntagsruhe im 
Gewerbe (s. unten § 401); 
. Reichs-Str.-Ges.-Buch §§ 166; 167; 243, 1; 304; 306, 1. 
Ueber die Handhabung der Kirchen polizei s. auch § 34 Abs. III der 
Form.-Verordn. vom 17. Dezember 1825, nach welcher dieselbe den kgl. Kreis- 
regierungen zusteht. 
Die Ausübung der Aufsicht auf die Kirchengewalt erfolgt gemäß § 52 
und § 58 desgl. § 57 der 2. Verf.-Beil. einerseits durch den sogen. recursus ab 
abusu d. h. die in § 52·1. c. den Genossen einer Kirchengesellschaft gewährte Be- 
fugnis, gegen gesetzwidrige Handlungen der geistlichen Gewalt den landesfürst- 
lichen Schutz anzurufen, andrerseits durch das sogen. Placet des Königs (8 58 
1. c.) d. h. die kgl. Einsichtnahme und Genehmigung, ohne welche keinerlei Gesetze, 
Verordnungen oder sonstige Anordnungen der Kirchengewalt publiziert und voll- 
zogen werden dürfen; endlich durch die Befugnis (§ 57 l. c.) der Staatsgewalt, 
von allem, was in den Versammlungen der Kirchengesellschaften gelehrt und ver- 
handelt wird, Kenntnis zu nehmen. Vergl. Piloty, Comm. S. 23 f. 
Näheres s. unten § 239. 
*8) Dieser Absatz hat die sogen. „bürgerlichen Handlungen und Beziehungen“ 
im Sinne, welche in §8§ 62—75 der 2. Verf.-Beil. behandelt werden. 
Ferner kommen noch in Betracht die sogen. „Gegenstände gemischter Natur“. 
Ueber diese s. 88 76—79 der 2. Verf.-Beil. 
*) Hiezu s. Tit. VII § 17 der Verf.-Urk., sowie § 47 und 75 der 2. 
Verf.-Beil. Zu diesem § 10 ist eine Aenderung getroffen worden durch die Be- 
stimmungen der beiden Gemeindeordnungen vom 29. April 1869 und zwar durch 
Art. 67 der rechtsrheinischen und Art. 51 der pfälzischen. Art. 67 der rechts-
	        
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