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entschädigung dafür verlangen, sondern sich mit einer Geld-
summe für seinen Kriegsanteil abfinden lassen. Diese Dar-
legung blieb auf den Kaiser nicht ohne Eindruck; ich schloß
das aus der Frage, die der Kaiser an mich richtete, ob
Preußen also die Annexion als wünschenswerte Lösung der
Herzogtümerfrage betrachte. Es war mir sehr angenehm, daß
die Frage so unmittelbar, und zwar in Gegenwart des Königs,
an mich gestellt wurde; denn mein Königlicher Herr hatte
sich, wenn unter uns von der Zukunft der Herzogtümer die
Rede war, stets zurückhaltend benommen; ich konnte keine
bestimmte Willensäußerung von ihm erhalten. Ich wandte
mich also an ihn und sagte: „Diese Frage zu beantworten
bin ich nicht berechtigt.“ Aber der König zauderte auch diesmal
und sagte, die Einverleibung Schleswig-Holsteins sei von ihm
nicht gerade ins Auge gefaßt. Darauf mußte ich mich natür-
lich bescheiden und die Sache für jetzt fallen lassen. Ich
selbst war in viel bestimmterer Weise für eine ganze Lösung
der Frage eingenommen, während er damals noch zum
Augustenburger neigte. Dessen Haus aber hatte keine wirk-
lichen Ansprüche auf Schleswig-Holstein, denn es hatte be-
reits zweimal auf die Herzogtümer verzichtet, zuerst 1721,
dann 1852. Es bestand also kein Hindernis, die Herzog-
tümer Preußen einzuverleiben. Wir hätten, wenn Oester-
reich einging, in einem künftigen Kriege in Italien auf seiner
Seite gestanden.“
Fredjung: „Den österreichischen Staatsmännern schien
wohl für die Machtstellung Oesterreichs der gemeinsame Be-
sitz in Schleswig-Holstein wichtiger als das bereits verlorene,
nicht wieder zu gewinnende Mailand.“
Bismarck: „Ich will jetzt keine Kritik üben, sondern nur
den Verlauf der Dinge schildern. Rechberg war einer solchen
Lösung damals nicht abgeneigt, wie ich denn überhaupt mit
ihm seit der Frankfurter Zeit sehr gut stand. Er war wahr-
heitsliebend, und ich hatte volles Vertrauen zu dem, was
er sagte. Immer schwebte mir der Gedanke vor, den ich