— 101 —
Bismarck: „Was über das Verhältnis zu meinem kaiser-
lichen Herrn bisher in den meisten Zeitungen verlautete, ist
ganz falsch. Was ich Ihnen nun sage, dürfen Sie jetzt schon
mit einiger Zurückhaltung bringen. Lieber bringen Sie
weniger. recht maßvoll namentlich gegen den Kaiser, als ein
Wort zuviel. Meinungsverschiedenheiten haben wohl schon
gleich zu Anfang seiner Regierung stattgefunden, aber in den
großen Fragen der europäischen Politik waren wir einig.
Dann kam es aber anders. Allerlei Einflüsse fanden statt,
die ich Ihnen skizziiert habe. Es kam zum Abschiednehmen.
Was dem Kaiser nach und nach mit Bezug auf die innere und
äußere Politik in den Sinn kam, konnte mehrfach meinen
Beifall nicht finden. Auch paßten unsere Charaktere nicht
zusammen. Der alte Kaiser fragte mich um alle wichtigen
Dinge und sagte mir seine offene Meinung. Der junge Kaiser
sprach mit anderen und wollte selbst den Kurs bestimmen.
Lange Auseinandersetzungen und Verständigungsversuche gab
es da nicht mehr. Der Kaiser wollte mich los haben, und
ich wollte gehen, wenn auch nicht gerade in dem Augenblick.
wo er mir zweimal hintereinander seine Herolde schickte, um
mich zur Einreichung des Abschiedsgesuchs zu drängen. Dem
es standen damals für das Reich wichtige Dinge auf dem
Spiel, ich wollte nicht gerade die Erfolge, die wir seit einem
Vierteljahrhundert errungen, davon schwimmen sehen wie der
Gerber seine Häute. Ich schrieb mein Entlassungsgesuch, das.
eigentlich das Gegenteil eines solchen war, und vertrat darin
meine abweichenden Standpunkte. Dieses Aktenstück war ich
dem Reiche und dem deutschen Volke schuldig, ich will es aber
Tischgesprächen des Fürsten Bismarck“, Bd. I, S. 357 f. und
Bd. II, 345 f., erwähnt ist. Bei manchen Redewendungen, die
Memminger Bismarck in den Mund legt, vermissen wir aller-
dings die Feinheit und Präzision der Bismarck'schen Ausdrucks-
weise. Auch sachlich laufen kleine Mißwverständnisse unter, die
aber nicht gehindert haben, daß die Presse die Memminger'schen
Artikel des Abdrucks gewürdigt hat. Auch Penzler: „Fürst Bis-
marck nach der Entlassung“ hat Abschnitte davon berücksichtigt.