Full text: Also sprach Bismarck. Band III. 1888 - 1898. (3)

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Politik zu sprechen. Als sich Bismarcks Antlitz im Laufe 
der Ausführungen mehr und mehr rötete, bat ihn Dahn, 
einem Wink Dr. Chrysanders folgend, sich ein wenig auszu- 
ruhen. « 
Bismarck: „Gut, eine Stunde. Aber um 4½ Uhr sind 
Sie wieder da. Sie können gut zuhören.“" Um 4½ Uhr 
nahm er ihn auf einer Fahrt durch den Wald allein zu sich 
in den Wagen. Da war es nun ergreifend, mit welcher Liebe 
der Gewaltige von seinen Bäumen sprach — er kannte sie 
fast alle — vom Landleben und der Landwirtschaft. Aber 
gar bald bildeten die Politik und die Geschichte wiederum 
den Gesprächsstoff. 
Dahn: „Gingen Durchlaucht nicht zu weit, als Sie uns 
mit dem allgemeinen Wahlrecht bedachten?“ 
Bismarck: „Ja, was wollen Sie? Wir waren damals 
sehr schwach; wir mußten den Partikularismus bekämpfen 
durch den Liberalismus!“ 
Dahn: „Wie kamen Durchlaucht gerade zu diesem an die 
Zeit des Deutschen Bundes erinnernden Wahlgesetz?“ 
Bismarck: „Ich fand es auf dem Frankfurter Tisch vor. 
Und zudem habe ich gemeint, wenn es schadet, kann man es 
bei Gelegenheit wieder abschaffen.“) 
Dahn: „Sind nicht im Kulturkampf so manche Fehler 
begangen worden?“ 
Bismarck: „Ich wollte drei Dinge: Rücknahme der Schul- 
aufsicht von der Kirche hinweg für den Staat, Aufhebung 
der katholischen Abteilung im Kultusministerium und Be- 
kämpfung des Bündnisses zwischen Polentum und Ultramon- 
tanismus. Die ersten beiden Ziele hatte ich bald erreicht, 
das letztere Streben ins Werk gesetzt: die einzelnen Kampf- 
gesetze habe ich nicht alle prüfen können; ich erkrankte 
*) Dahn erwähnte diese seine Stellungnahme zum gleichen, 
direkten Wahlrecht auch in einer seiner Vorlesungen; vergleiche 
den „Reichsboten“ Nr. 278 vom 28. November 1900.
	        
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