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erweisen, um recht rasch aus dem Landratsamt wieder heraus
und weiter zu kommen. Ein frischgebackener Regierungs-
assessor, besonders, wenn sein Vater oder Gönner ein ein-
flußreicher Abgeordneter oder Politiker ist, kann sicher sein,
nach ein paar Anstandsmonaten Beschäftigung auf der Re-
gierung eine Landratstelle zu bekommen. Das ist sehr vom
Uebel, für die Verwaltung wie für die gesunde und aufrechte
politische Gesinnung. — —
Die ersten Reden Caprivis vor den Volksvertretern haben
mich geradezu entsetzt. Solche flache Phrasen mit so viel
Aufwand vorgetragen! Ich hatte es einem preußischen
General nicht zugetraut. Wenn er wenigstens soldatische
Schneidigkeit gegenüber den oppositionellen Elementen her-
vorgekehrt hätte!“
Mit der größten Entschiedenheit verteidigte Bismarck gegen
alle lautgewordenen Einwendungen seinen Standpukt, daß
es durchaus mit dem Geist und dem Zweck wie mit dem
Text der Reichs= und Staatsverfassung vereinbar sei, die
Sozialdemokratie mit Ausnahmegesetzen zu bekämpfen. Das
Zurückweichen von diesem Standpunkt bezeichnete der Fürst
als den verhängnisvollsten Irrtum und schwersten Fehler, der
in der inneren Politik hatte begangen werden können. „Die
heutige internationale und revolutionäre Sozialdemokratie,
welche die frühere nationale und vom Staatsbegriff aus-
gehende vollständig verschlungen hat, stellt sich selbst pro-
grammäßig in Kampf um Sein oder Nichtsein gegen die
Staatsverfassung und gegen den Staat als solchen. Darum
ist es nicht der Staat, welcher den Ausnahmszustand über
die Sozialdemokratie verhängt, sondern umgekehrt, die
Sozialdemokratie ist aus dem Staat ausgetreten und hat
ihm den Vernichtungskrieg angesagt. Damit sind ihr gegen-
über die Verfassungsverträge erloschen. Es ist Feigheit,
wenn die Staatsgewalt es unterläßt auch ihrerseits die
Konsequenz aus dem sozialdemokratischen Programm zu
ziehen.“
v. Poschinger, „Also sprach Bismarck“ Band lII. 10