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Wilhelm den Brief zeigte, nicht aber der Kaiser. Es war
im Jahre 1878 im Kongreßjahre, daß Graf Schuwalow
mich hier zu sprechen wünschte. Ich war gefährlich krank
gewesen und befand mich noch unter strengster ärztlicher Be-
handlung wegen Gürtelrose, aber obgleich ich nur langsam
genas, antwortete ich: Bin sehr erfreut, Sie zu sehen, bin
aber ernstlich krank. Zu jener Zeit lebten wir in Friedrichsruh
nicht in dem Schlosse, das erst später gebaut wurde, son-
dern in einem kleinen Hause, das jetzt der Verwalter inne
hat, und als der Graf ankam, war ich in Verlegenheit, wie
ich ihn unterbringen sollte.
Der Graf drückte mir den Wunsch des Zaren aus, einen
Kongreß nach Berlin zu berufen und ihn zu leiten. Meine
Gesundheit ist zu schlecht, erwiderte ich, um Geschäfte zu
besorgen, und ich habe außerdem große Schmerzen. Er
sagte dam zu mir: Der Kaiser Alexander ersucht Sie um
diesen Dienst, als einen Beweis Ihrer Anhänglichkeit an ihn,
und ich war natürlich dankbar dafür, denn der Zar war mir ge-
genüber, als ich in Petersburg weilte, mehr als freundlich ge-
wesen. Ich bin tatsächlich eine Art Günstling desselben ge-
wesen. Nach mehreren Besprechungen über die Frage er-
hielt der Graf meine Einwilligung unter der Bedingung,
daß er nach England gehe und die Zustimmung der eng-
lischen Regierung erlange. Mittlerweile versprach ich, soviel
als möglich in Wien zu tun, allein meine Bereitwilligkeit,
den Kongreß zusammenzubringen, war an die Voraussetzung
geknüpft, daß beide, England und Oesterreich, bereit waren,
zu kommen. Dann begab sich Schuwalow nach London und
ich sandte jemanden (ich glaube meinen Sohn Herbert) nach
Wien mit einem Brief an den Grafen Andrassy, ihm die
Kongreßidee vorschlagend. Ich erinnere mich nicht, ob
Schuwalow wieder nach Friedrichsruh gekommen ist; mein
Eindruck ist aber, daß er es nicht tat.“)
“) Zutreffend; Schuwalow besuchte Bismarck das nächste Mal
am 4. Juni 1878 in Berlin.