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Rußland ist aber — ganz abgesehen von seiner Hungers-
not, seinen Choleraverheerungen und seiner Finanzlage —
für mindestens drei Jahre am Kriege verhindert, weil es
eher seine Ausrüstung mit dem neuen Gewehr und Pulover
nicht vollendet hat. Es kann also von unmittelbarer Kriegsge-
fahr von diesen beiden Seiten gar keine Rede sein. Uebri-
gens würde die von der Militärvorlage vorgesehene Ver-
mehrung unserer Heeresstärke auch erst in 20 oder gar 25
Jahren ihr Ziel erreichen.
Nun soll die Militärvorlage schmackhaft gemacht wer-
den durch die zweijährige Dienstzeit. Ich halte diese Ope-
ration für höchst bedenklich. Man sollte doch meinen, daß
der alte Kaiser Wilhelm, Moltke und Roon auch etwas von
der Sache verstanden haben und nicht gegen Windmühlen
kämpften, nicht grundlos dreißig Jahre lang mit aller Kraft
an der dreijährigen Dienstzeit unerschütterlich festhielten, als
an der Grundlage der deutschen Wehrkraft. Man sollte sich
doch daran erinnern, welche Opfer unser hochseliger Kaiser
und König Wilhelm es sich hat kosten lassen, um diese Grund-
lage unserer Wehrverfassung zu behaupten.
Als ich, aus Paris von ihm berufen, wohl am 20. Sep-
tember 1862, nach Berlin kam und Audienz beim König
erlangte, da hatte er bereits seine Abdankung unterzeichnet!
Die Urkunde lag vor ihm, als ich eintrat, und er mir sein
Ministerium anbot. Er war willens, den Kronprinzen rufen
zu lassen und die Abdankungsurkunde und die Regierung
in dessen Hand zu legen, falls ich mich dem königlichen Rufe
versagte. Ich aber erklärte mich sofort bereit, dem Ruf
meines Königs zu folgen. Ja, wollen Sie denn auch
gegen die Majorität des Landtages ihr Amt antreten und
führen? fragte mich der König. — Ja, erwiderte ich. —
Und auch ohne Budget? — JSa, Mojestät. — Nun zer-
riß er die Abdankungsurkunde und später auch ein Pro-