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vorkommt, daß ein Geheimrat dieselbe Materie im Ministe-
rium zu behandeln hat, die schon das Thema seiner Assessor-
arbeit war, ohne daß er sie jemals im praktischen Leben
kennen gelernt hat.“
Zum Schlusse entschuldigte sich Bismarck, daß er das
ihm von dem 19. hannoverschen Wahlkreise angebotene Man-
dat bis jetzt noch nicht habe ausüben können. „Ich würde
wohl Lust haben, in den Reichstag zu kommen, wenn ich es
so machen könnte, wie der alte Moltke, der ruhig dagesessen
und zugehört hat. Aber man würde mich ja nicht zufrieden
lassen. Die einen würden mich angreifen, mich beschimpfen,
was mich immerhin am wenigsten berühren würde, die andern
wieder würden ängstlich von mir fortrücken, aus Furcht sich
zu kompromittieren. Zudem fehlt mir der Apparat, der mir
früher zur Verfügung gestanden hat, und es ist für mich
bei vorgerückten Jahren doch schwierig, alles selbst zu lesen
und alle Vorarbeiten für die Reden allein zu besorgen.“
Die Herren versicherten Bismarck, daß seine Wahl in
erster Linie ein Vertrauensvotum gewesen sei, und Dr. Hahn
betonte noch besonders, daß seine Wähler ihm hätten die
Gelegenheit geben wollen, in ernster Stunde im Reichstag
sein Wort in die Wagschale zu werfen.
Friedrichsruh, Frühiahr 1893.
Unterredung mit dem Professor Kahl, betreffend
die Militärvorlage.“
Bismarck: „Ich halte eine Heeresverstärkung für not-
wendig, aber nicht, wie sie die Militärvorlage vorsieht. Ge-
) Nach einer Kandidatenrede Kahls „Berliner Börsen-
zeitung“ Nr. 274 vom 14. Juni 1893. Kahl war öfters mit
Bismarck zusammen. Bei einer Gelegenheit bemerkte er dem Gaste
gegenüber, daß er bis zu seinem Lebensende Anhänger des all-
gemeinen Wahlrechtes geblieben sei; dasselbe habe wohl Schäden
zur Folge, die aber von ihm selbst wieder korrigiert würden.
„Tägliche Rundschau“ Nr. 26 vom 16. Januar 1907.