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kurzem huldigend nach Friedrichsruh gepilgert waren und da-
mit auch der großen „alten Zeit“ gehuldigt hätten. Nach
den neuesten Zeitungen schicke sich auch einer der alten Mit-
arbeiter des Fürsten, der Geheime Oberregierungsrat von
Rottenburg an, nach Friedrichsruh zu pilgern, obwohl dieser
hohe Beamte bisher dem neuen Kurs gefolgt sei.
Bismarck: „Ich glaube noch nicht eher an den Besuch
dieses Herrn, als bis ich ihn hier vor mir sehe. Denm
ein strebsamer Mann, der um seine Karriere besorgt ist,
riskiert durch einen Besuch in Friedrichsruh zu viel. Ueber
jeden Besuch, der hier oder in Varzin eintrifft, wird in
Berlin Buch geführt. Glauben Sie ja nicht, daß die Ihrigen
etwa dort unbekannt blieben.“
Blum: „Um so besser.“ Demnächst erwähnte derselbe
die neuestens literarischen Erscheinungen zu Ehren Bismarcks,
namentlich die von Heinrich von Poschinger.
Bismarck: „Ja, Poschinger hat noch viel unbenütztes Ma-
terial von früher her gesammelt. Aber die Archive hat ihm
der neue Kurs weggenommen und verschlossen, selbst dem
Professor Heinrich von Sybel ist das widerfahren! Die
Herren haben ja nicht umhin gekonnt, mich in ihren Schriften
einigermaßen zu loben. So mußte Poschinger z. B. den
Plan aufgeben, sein Werk Bismarck als Volkswirt fortzu-
setzen, was er tun wollte.“
Eingehender kam Bismarck demnächst auf das Unge-
schick zu sprechen, welches der „neue Kurs“ namentlich auch
bei seinen Verhandlungen mit den Parteien des Reichstags
über die neue Militärvorlage') gezeigt habe. „Caprivi hätte
*) Nach dem am 27. November 1894 erfolgten Ableben der
Fürstin Bismarck schrieb Harden einen Artikel über dieselbe,
worin er erzählte: „Vor anderthalb Jahren saß Bismarck in
Friedrichsruh auf der Veranda. Es war der Tag der Wahlen
im Reich. Die Fürstin trat heraus und sagte, sie sei so schrecklich
aufgeregt; wenn nur erst eine Nachricht da wäre. „Liebes Kind,"