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Kaiser als solcher kein Faktor der Gesetzgebung; er kann seinen
Einfluß nur als König von Preußen durch die preußische
Stimme im Bundesrate betätigen; ein Veto gegen überein-
stimmende Beschlüsse des Reichstags und des Bundesrats hat
ihm die Reichsverfassung nicht beigelegt.“ Diese Auseinander-
setzung genügte, um den Kaiser zur Vollziehung des betreffen-
den Reichsgesetzes zu bestimmen.
Kaiser: „Und wie steht die Sache nach der preußischen
Verfassung?“
Bismarck: „Hier hat der König allerdings dasselbe Recht,
einen Gesetz-Entwurf anzunehmen oder abzulehnen, wie jedes
der beiden Häuser des Landtags.“ Der Kaiser lehnte dann
vor der Hand die Unterzeichnung ab, sich die Entschließung
vorbehaltend.“)
Berlin, 13. Juni 1888.
Unterredung mit dem Präsidenten des österreichisch-
evangelischen Ober-Kirchenrates Dr. Franz, betref-
send die Krankheit des Kaisers Friedrich, Bis-
marcks polizeiliche Bewachung und verschiedene
Fragen der auswärtigen Politik.“
Zu Beginn des im Garten des Kanzlerpalais stattgefun-
denen Gespräches erkundigte sich Bismarck zunächst über die
Zahl und Verbreitung der Protestanten in Oesterreich, ging
dann aber sofort auf andere Dinge über, wobei er jede passende
Gelegenheit benützte, um dem Oesterreicher etwas Angeneh-
mes zu sagen. „Sehen Sie hier diesen prachtvollen Baum.
Wie heißen Sie ihn in Oesterreich?“
„Föhre“, antwortete der Präsident.
„Wir nennen diesen Baum hier „Austriaca“ weil wir
von dort die schönsten Exemplare beziehen.“
*) Die Unterzeichnung erfolgte später ganz spontan.
"“*) Nach einem Referat der „Neuen Freien Presse“.