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Friedrichsruh, März (72) 1897.
Außerungen gegenüber einem Gewährsmann der
„Täglichen Rundschau“, betreffend die Stellung der
einrichten kann. „Es liegt darin in keiner Weise eine Abdikation
Deutschlands bezüglich der Stellung, die es unter den übrigen
Großmächten einnimmt. Deutschland wird durch die Vorgänge
in der Türkei und am Mittelmeer niemals direkt berührt; wir
kind dort weder Nachbarn, noch verfolgen wir eigene politische
Pläne, und wenn es dort zum Brande kommt, werden alle
europäischen Großmächte mit alleiniger Ausnahme Deutschlands
direkt berührt. Deutschland hat zwischen sich und den Orient-
Brandstätten immer die Schutzmauer dritter Staaten; es kann
sehr gut abwarten, wie die Löschversuche verlaufen. Auf diese
günstige Position wird Deutschland nur verzichten dürfen, wenn
es durch zwingende Gründe dazu genötigt wird. Solche sind
bisher nicht erkennbar. Es kann Deutschland gleichgiltig sein,
ob Kreta türkisch, griechisch oder sonst etwas ist; wir haben dort
weder politische, noch wirtschaftliche Interessen zu verteidigen.
Es genügt für das deutsche Interesse vollkommen, daß wir uns
in Uebereinstimmung mit den übrigen Großmächten halten, und
falls zwischen diesen ein Dissens eintritt, uns entweder neutral
verhalten oder für diejenige Gruppe Partei ergriffen, zu der
Rußland gehört.“ In Bezug auf den angeblich geplanten Be-
such des Zaren in Friedrichsruh heißt es: „Mein Gewährsmann
hat Anlaß zu der Annahme, daß Bismarck, wenn Gerüchte über
den möglicherweise bevorstehenden Besuch des Zarenpaares in
Friedrichsruh zu ihm gedrungen sein sollten, nicht ohne inneres
Widerstreben an die Beunruhigung gedacht hätte, die für ihn
daraus entstanden wäre, und daß er erleichtert aufgeatmet haben
würde, wenn er dann erfahren hätte, daß der Besuch unterblieb.
Seine Gegner überschätzen das höfische Bedürfnis Bismarcks, er
hat in seinem langen und tatenreichen Leben zu viele Monarchen in
allen Situationen gesehen und mit ihnen verhandelt, als daß
#ges ein Ziel seines Ehrgeizes im späten Alter sein sollte, den
Besuch gekrönter Häupter im Sachsenwalde zu erstreben, oder sich
durch die Vereitelung solcher Besuche „verstimmt“ zu fühlen.“ —
Gespräche Bismarcks nach einem Gewährsmann der „Schlesischen
Zeitung“ von Anfang März 1897 in meinem Werke: „Fürst
Bismarck, Neue Tischgespräche und Interviews“, Bd. II, S. 428.