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Freilich: mitunter irre ich mich auch. Es kommt eben darauf
an, was für ein Wetterministerium da oben am Ruder ist:
ein österreichisches, das um jeden Preis fortwurschteln möchte,
oder ein caprivisches, das froh ist, wenn es die Unterschrift
des allerhöchsten Herrn hat und sich um die Verantwortlich-
keit vor der misera contribuens plebs hier unten keine
großen Sorgen macht .“) «
Friedrichsruh, Sept. oder Anfang Okt. 1897.
Außerung nach einem Gewährsmann der „Schle-
sischen Zeitung“, betreffend die lberlebtheit der
bestehenden politischen Parteien, die Flottenver-
mehrung, die Errichtung einer elsaß-lothringischen
NRegentschaft unter dem Kronprinzen, die Einsetzung
einer Regentschaft während der Krankheit des
Kaiser Friedrich, der Zeitpunkt von Bismarcks
Versöhnung mit demselben.“
Bismarck: „Die bestehenden politischen Parteien entsprechen
*) Bismarck selbst sprach oft von seinem „Nervenbankerot“.
Und Schweninger mußte manchmal die wunderlichsten Mittel an-
wenden, um seinen großen Patienten aus seiner nervösen Verstim-
mung zu scheuchen. Ein Beispiel: Der Tod des alten Kaisers hatte
ihn furchtbar angegriffen, und er fühlte sich, als er aus dem
Schlosse heimkehrte, unfähig zu jedem Geschäft. Doch die Zeit
drängte. Da griff Schweninger zu einem Gewaltmittel. Er raunte
dem Kammerdiener zu, dem in wehmütiger Gebrochenheit zu-
sammengesunkenen Fürsten leise — auf den Fuß zu treten. Das
half, Se. Durchlaucht ärgerte sich über die scheinbare Ungeschicklich-
keit, die Wehmut wich — das Gleichgewicht war wieder hergestellt.
Fünf Minuten später verlangte der Kanzler einen weißen Bogen
und schrieb mit fester Hand darauf: „An Seine Mojestät, den
deutschen Kaiser in San Remo.“ Es war die Depesche, die dem
Kaiser Friedrich die offizielle Nachricht vom Tode seines Vaters
brachte.
**) „Schlesische Zeitung“ Nr. 694 vom 3. Oktober 1897, zum