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Friedrichsruh, 1897.
Unterredung mit dem Landrat des Kreises Lauen-
burg Grafsen Finckenstein, betreffend Bismarcks
Verhältnis zu Harden.“
Bismarck: „Jch habe Harden als geschickten Publi-
zisten öfters bei mir zum Frühstück gesehen, und bei meinen
anderes Lied zu blasen, oder wenigstens die Tonart zu ändern.
Wenn Biemarck es nicht als seine Aufgabe betrachtet, seinen Rat
in politischen Angelegenheiten, falls er darum angegangen werden
sollte, zu erteilen, so beruht das selbstverständlich nicht auf Eigen-
sinn oder ähnlichen Motiven, sondern auf der Ueberzeugung des
Fürsten, daß ein Staatsmann, der einen Ruf zu verlieren hat, Rat-
schläge nicht mehr erteilen darf, wenn die Ausführung derselben
nicht mehr in seiner Hand liegt. Der beste Ratschlag, wenn er
falsch angewendet würde, könnte mehr Unheil anrichten, als ent-
standen sein würde, wenn die Aktion, um die es sich handle,
von ihm ungeraten geblieben wäre. Wenn Bismarck gegenwärtig
der chinesischen Aktion gegenüber eine Art wohlwollende Neutra-
lität beobachtet und nichts dagegen tut, daß die „Hamburger
Nachrichten“ mehr oder weniger auf sein Konto hin die Sache
begünstigen, so beruht dies u. a. darauf, daß das Vorgehen
Deutschlands im Einverständnis mit Rußland erfolgt und sich
als Ergebnis der Kooperation darstellt, die im Jahre 1895
seitens Rußlands, Deutschlands und Frankreichs Japan gegen-
über stattgefunden hat. Bismarck ist damals nicht unbedingt von
der Ratsamkeit der deutschen Beteiligung an dieser Sache über-
zeugt gewesen, er hat das Verhalten Deutschlands nur unter
der Voraussetzung gut geheißen, daß es ein Mittel zur Wieder-
annäherung an Rußland sein sollte. Er hat auch darüber keinen
Zweifel gelassen, daß es, nachdem Deutschland einmal die russische
Hand ergriffen und seine Stellung in der asiatischen Frage an
der Seite Rußlands — also gegen England — genommen habe,
ein schwerer und verhängnisvoller Fehler sein würde, diese ein-
mal genommene Position wieder aufzugeben und nach der englischen
Seite wieder abzuweichen.“
*) Die „Deutsche Tageszeitung“ bemerkte dazu, daß der
Inhalt dieser Zuschrift vollkommen mit dem übereinstimme, was
sie selbst aus dem Munde des Fürsten Herbert Bismarck mehr-