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das Haus nicht mehr verlassen; selbst den Aufenthalt auf
dem Balkon mußte er sich versagen, weil er ihn regelmäßig
mit einer Steigerung der Schmerzen zu bezahlen hatte. Die
Annahme von Besuchen war auf das Aeußerste eingeschränkt
worden. Der Anppetit war andauernd zufriedenstellend, die
Lebensweise im großen Ganzen die altgewohnte. Zu den
Hauptmahlzeiten, die er im Kreise der Seinigen einnahm,
ließ er sich im Rollstuhl fahren; Humor und seine Geistes-
frische waren nach wie vor bewundernswert. Die wenigen,
die das Glück hatten, jetzt noch mit ihm in Berührung zu
kommen, wußten nicht genug davon zu erzählen, wie Bis-
marck trotz seiner Krankheit, seiner Schlaflosigkeit und seines
hohen Alters das Gespräch in alter Weise beherrschte und
bald mit liebenswürdigem Scherz, bald mit Satire in allen
Dingen den Nagel auf den Kopf traf. Der Schlaf pflegte
sich in der Regel erst gegen Morgen hin einzustellen, wo er
dann für einige Stunden wenigstens fest wurde. Auch zur
Nachtzeit, wenn er irgend welcher Hilfe= oder Dienstleistung
bedurfte, versagte sein guter Humor nicht. So bemerkte er
gelegentlich, der Jahreszeit entsprechend, gegen Morgen, als
er wach geworden war, er sei noch müde, er fühle noch einen
kleinen „Johannistrieb“ zum Schlafen. Von „Wehmut“ oder
„wehmütigem Eindruck“ — wie er von einer Seite ver-
lautete, war nicht die Rede. Auch die Pfeife schmeckte an-
dauernd, ebenso mundeten Wein und Bier.
Wie gut aufgelegt und verhältnismäßig kräftig sich Bis-
marck noch kurze Zeit vor seinem Ableben fühlte, beweist
folgende Episode: Aus dem wohltätigen Schlummer kurz
vor Anbruch des Morgens erwacht, gelüstete es ihn plötzlich,
eine Pfeife zu rauchen. Dem Kammerdiener, der von diesem
Wunsche freudig überrascht wurde, entfuhren als er von seinem
Lager aufsprang, die kräftigen Worte: „Na, nu schlag Gott
Penzler a. a. O., Bd. VII, S. 483; übergegangen auch in die
„Hamburger Nachrichten“ Nr. 155 vom 6. Juli 1898.