— 360 —
zu antworten, wenn Sie fragen sollten. Doch Sie werden
ja selbst sehen.“ Bereits seit einigen Wochen war er dem
Frühstück fern geblieben und infolge geringer Nachtruhe meist
bis nachmittags 4 Uhr im Bette geblieben, in den Stunden der
Schlaflosigkeit Zeitungen und Bücher lesend und die gewohnte
Zahl Pfeifen rauchend. Es lag darin auch ein Teil Be-
quemlichkeit. Seitdem er durch das kranke Bein behindert
war, sich selbst anzukleiden, machte ihm das Leben keine rechte
Freude mehr. Er hatte das Gefühl, anderen eine Last zu
sein, und dieses Gefühl drückte ihn selbst seinem Kammer-
diener Pinnow gegenüber, dessen Hilfe er jetzt in Anspruch
nehmen mußte. Da blieb er lieber im Bette, bis zu dem
Augenblicke, wo die Sehnsucht nach dem Leben in der Familie
als unwiderstehlicher Zwang auf ihn wirkte. Das rechte
Bein war bereits seit einiger Zeit bandagiert, er konnte es
nicht gebrauchen, und auch den Stiefel nicht anziehen.
Friedrichsruh, 19. Juli 1898.
Abends 8 Uhr ließ sich Bismarck von Pinnow in den
Empfangssalon fahren. Der Kopf war wegen der quälen-
den Gesichtsschmerzen in eine Fellmütze gehüllt, die nur Augen
Nase und Kinn freiließ, das kranke Bein, auffällig abge-
magert, ruhte auf dem Knie des gesunden Beines; auf dem
Gesicht lag ein Ausdruck der Müdigkeit. Kohl stand zur
Seite, als der Stuhl ins Zimmer geschoben wurde, so daß
Bimarck ihn nicht gleich erblickte. Als Graf Rantzau seinen
Schwiegervater auf dessen Anwesenheit aufmerksam machte,
und Kohl zu ihm trat, begrüßte er ihn in der alten Freund-
lichkeit und bemerkte dann auf die Frage nach seinem Be-
finden: „Ach, wie solls gehen; Gesichtsschmerzen, Lumbago
Bismarcks findet, die er kurz vor seinem Tode getan haben soll:
„Ich will nach meinem Tode jeden Pomp vermieden wissen.
Man hat mit mir in meinem Leben schon so viel Theater gespielt.“