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Gegen Mittag begannen sich die soporösen (Schlaf-)
Zustände, von denen er in der letzten Zeit mehrfach befallen
zu werden pflegte, in verstärktem Maße einzustellen und gegen
2 Uhr konstatierte Chrysander die erste verhängnisvolle Puls-
stockung. Dazu geselite sich eine Darmlähmung, die heftige
Schmerzen verursachte; Bismarck verlor häufig das Be-
wußtsein. Dann stellte sich als Folge der Darmlähmung
Lungenödem ein, und wenn es auch der ärztlichen Kunst
Chrysanders gelang, durch Kampferinjektionen die Tätigkeit
des Herzens noch um Stunden zu erhalten, so war doch
das kostbare Leben unrettbar dahin. Um 5 Uhr äußerte
Chrysander die Besorgnis, daß der schleunigst herantelegra-
phierte Geheimrat Schweninger seinen großen Kranken viel-
leicht nicht mehr lebend antreffen würde, wenn er abends
halb 11 Uhr käme. In den letzten Stunden war das Be-
wußtsein vollständig geschwunden, nichts deutete darauf hin,
daß der Sterbende Schmerzen litt. In mächtigen, sonoren
Atemzügen, die wie das Röcheln eines sterbenden Löwen
klangen, bewegte sich die Brust auf und nieder. Seine Kinder,
Baron und Baronin Merck, umstanden sein Bett,. Chry-
sander leistete den ärztlichen Beistand, bis gegen halb 11 Uhr
Schweninger kam, der durch eine Verkettung unglückseliger
Zufälle den Schnellzug in Berlin nicht erreicht hatte, auch
einen Extrazug nicht erhalten konnte.“) Er kam indessen noch
*) Am 30. Juli Abends sandte Chrysander folgendes Re-
zept in die Rheinbeksche Apotheke:
I. Tinctura Moschi 50,0
II. Moschus 0,3
Sacchar 0,2
fp. d. tal. dos. 10.
Dieses Rezept war das letzte, das für Bismarck verschrieben
wurde. Da der Besitzer der Apotheke, E. Jacobson-Jena, nicht
Moschus vorrätig hatte, fuhr er selbst spät abends nach Berge-
dorf, um den befreundeten Kollegen um Aushilfe zu bitten. Dann
fuhr er mit dem nächsten Zug nach Friedrichsruh weiter. Gegen