Bismarck: „Eine solche verfrühte Erklärung kann nicht
abgegeben werden. Es ist ein von mir festgehaltener Grundsatz,
daß die Verbündeten Regierungen sich wohl vor Reichstags-
boten, aber nicht vor Kommissions-Beschlüssen beugen können.
Setzen Sie sich mit Herrn v. Kardorff in das Benehmen,
weil ich auf das Zusammengehen der konservativen Parteien
den höchsten Wert lege.“)
Sozialistengesetzes hörte ich vom Kanzler nicht. Er wollte von
mir hören, äußerte sich selbst aber wenig und nicht ohne eine
gewisse Reserve und Unbestimmtheit. Darauf folgte das Diner
und eine längere Sitzung im Rauchzimmer. Ich mußte mit dem
Nachtzug nach Berlin zurückfahren, und ehe ich mich verabschiedete,
es mochte gegen halb elf Abends sein, stellte ich nach der bis
dahin ohne festen Abschluß verlaufenen Diskussion dem Kanzler
direkt die Frage: „Was er schließlich über die weitere Behandlung
des Sozialistengesetzes meine?“ Er faßte die Antwort mit lakoni-
scher Kürze in die Worte zusammen: „Mir liegt mehr an der
Erhaltung der Kartellpolitik, als an dem ganzen Sozialisten-
gesetz.“
*) In einer Zuschrift des Abgeordneten v. Kardorff an
die „Berliner Neuesten Nachrichten“ vom 8. Oktober 1898 führte
derselbe aus: „Herr v. Helldorff hatte die Güte, bei seiner Rück-
kehr won Friedrichsruh mir mitzuteilen, 1. daß er es ungewöhnlich
schwierig gefunden habe, mit dem Herrn Reichskanzler zu ver-
handeln, der sehr zugeknöpft gewesen sei; 2. daß er dem Fürsten
Biemarck die Absicht der deutschkonservativen Fraktion mitgeteilt
habe, bei der Abstimmung über das ganze Gesetz dieses zum
Scheitern zu bringen, falls die Abänderungen der Kommission
Annahme gefunden hätten; 3. daß er den Fürsten dahin richtig
verstanden zu haben glaube, daß dieser mit solcher Taktik der
Fraktion einverstanden sei; 4. daß der Fürst dem Wunsche Aus-
druck gegeben habe, daß Herr v. Helldorf sich mit mir ins Ein-
vernehmen setze, um einen Zwiespalt zwischen der deutsch-konserva-
tiven und der Reichspartei zu vermeiden. Ich erwiderte Herrn
v. Helldorf, daß meine Freunde geschlossen auch für das abge-
schwächte Gesetz stemmen würden, obschon ein Teil derselben die
Anschauungen der Deutschkonservativen über die Unentbehrlich-
keit der Ausweisungs-Bestimmungen teile und dies bei der Ab-
stimmung über die einzelnen Paragraphen zeigen werde.“