— 70 —
ernste Wendung genommen, Bismarck aufs Gewissen gefragt,
ob er noch die glaubensvolle, persönliche Stellung zu Christus
als dem Sohne Gottes und unserem Heiland einnehme, wie
in den früheren Tagen (und wie sie Keyserling selbst nie besessen
hat).")
Bismarck: „Leider bin ich während der Kämpfe der
letzten Jahrzehnte dem Herrn ferner gerückt — — gerade
jetzt in der schweren Zeit, die ich durchlebe, empfinde ich
diese Ferne schmerzlichst. Ich habe aber Gott gebeten, mich
nicht von der Erde zu nehmen, ohne mir die innige Stellung
zu Chrifto wiedergegeben zu haben; ich hoffe, in der Zurück-
gezogenheit den alten, kostbaren Besitz im Zufammenleben
mit meiner Johanna zu erlangen.“")
Friedrichsruh, 31. März 1890.
Außerungen zu den Veranstaltern und Teilneh-
mern des Bismarck zum 75ften Geburtstage dar-
gebrachten Fackelzuges.““
Bismarck: „Es verursacht mir eine große Freude, daß
ich, nachdem ich 28 Jahre Minister gewesen, und mir wie
jeder in solcher Stellung, manche Feinde geschaffen habe, vor
*) Nach einer Mitteilung Keyserlings an den Pastor Her-
mann Dalton. Cf. die Bismarck-Erinnerungen des letzteren im
„Daheim“ 1899, S. 422.
") Ueber diesen Aufenthalt ist zu vergleichen Keyserlings
Tagebuch vom 3./15. Juli 1890 enthalten in dem Werke Graf
Alexander Keyserling: „Ein Lebensbild“, aus seinen Briefen und
Tagebüchern zusammengestellt von seiner Tochter Freifrau Taube
von der Essen, Bd. II, S. 589f. Mit Recht bemerken die
„Hamburger Nachrichten“ Nr. 239 vom 8. Oktober 1903: Bis-
marcks Persönlichkeit sei für Keyserling „eine gänzlich incommen-
surable Größe geworden.“
*e) Nach den „Hamburger Nachrichten“ vom 1. April 1890.
M. A. Cf. auch mein Werk: Die Ansprachen des Fürsten Bis-
marck, Bd. I, S. 127.