Full text: Rechtslexikon. 1. Band: A-K (1)

Bundesrat. 
solchen Befugnis für das Parlament. Alle 
Rechte, an denen das staatliche Leben 
einer Nation hängt, sind korrelativ mit den 
Pflichten daraus zu nehmen, wennschon 
ein Zwangsschutz einmal ermangeln kann. 
Jener Artikel sagt nicht mehr, als daß es 
leicht vorkommen kann, daß in der einen 
oder anderen Sitzung einzelne Stimmen 
nicht mittun, setzt aber eine konstante Be- 
schlußfassung voraus und stellt fest, daß 
sie durch Präsenz- oder Instruktionsmän- 
gel einzelner nicht aufgehalten werden 
soll. — Auch hier greift die Doppelnatur 
ein, daß der BR zugleich Organ um des 
Reiches willen ist und jedes Bundesglied 
der Gesamtheit der übrigen gegenüber 
zur Betätigung der Bundespflichten ver- 
bunden ist. Ein regelmäßiges Unvertre- 
tensein eines Staats schon ginge gegen 
den Geist der Verfassung sowohl als Ver- 
trag wie als Gesetz. 
Dagegen ist aus ihr keine Zwangsbe- 
schränkung dahin zu entnehmen, daß der 
BR nicht auch tätig sein könne über seine 
Kompetenz hinaus, selbstverständlich mit 
Ausschluß des Eingriffs in fremde Rechte. 
Tatsächlich haben auch die Bundesglieder 
im BR schon mehrfach praeter constitu- 
tionem gemeinsam gehandelt. Zwar kön- 
nen sie ohne den Reichstag nie ein Reichs- 
gesetz erlassen, wohl aber ein vorhan- 
denes einzelstaatliches Verordnungsrecht 
oder solche Verwaltungsbefugnisse in der 
Form einer bundesrätlichen Vereinbarung 
ausüben, sei es, daß deren Inhalt dann in 
jedem beteiligten Land einzeln und gleich- 
lautend oder gemeinsam vom BR aus er- 
lassen wird; diese Form deutsch-einheit- 
licher Regelung ist z. B. gewählt worden 
hinsichtlich des Freiheitsstrafvollzugs und 
des Geheimmittelwesens. Selbstverständ- 
lich sind Majorisierungen hier ausge- 
schlossen; rechtlich ist jeder solcher Akt 
eine Ausdehnung des föderativen Sach- 
gebiets, wenn eine Vereinbarung statt- 
findet. Es können aber auch bloße Ver- 
ständigungen über gleichartiges Handeln 
ohne gegenseitige Bindung statthaben. 
Umgekehrt gibt es geordnete Fälle, in 
welchen einzelne Bundesglieder für ein- 
zelne Stoffgebiete vom Bundesverhältnis 
rechtlich eximiert sind (Reservatrechte). 
Das föderative Recht geht dann nicht wei- 
ter, als die Gemeinschaftlichkeit geht, die 
Stimmrechte der ausgeschlossenen Staa- 
ten im BR entfallen dafür, R 7 Abs 4, 
diese enthalten sich einer Abstimmung, 
  
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was auch festgestellt zu werden pflegt; so 
z. B. die drei Südstaaten in Angelegen- 
heiten der norddeutschen Biersteuerge- 
meinschaft mit Ausnahme einer Steuerer- 
höhung, welche letztere zugleich eine Er- 
höhung der süddeutscherseits zu leisten- 
den Aversen bedeutet. Ein bloß tatsäch- 
liches Unbeteiligtsein hat keine Rechts- 
folge. 
Ein Bundesverhältnis ist Verhältnis ge- 
meinsamen Zusammenwirkens, nicht das 
einer Mediatisierung der Glieder. Der BR 
ist keine Instanz über den Gliedstaaten, so 
daß Rechtsmittel an ihn eingelegt werden 
könnten gegen Verfügungen der Einzel- 
regierung. Er kann keine gliedstaatliche 
Verfügung aufheben oder Anweisungen 
an die Einzelstaatsbehörden erlassen. Au- 
Berhalb des Rechtswegs, soweit er über- 
haupt an Reichsspruchbehörden geht, ist 
die Erhaltung der einzelstaatlichen Selb- 
ständigkeit ein Grundprinzip für die ganze 
Exekutive; sodann für die Legislative und 
für die Justiz in den nicht zum Reich ge- 
zogenen Stoffgebieten. Wohl aber hat der 
BR über Mängel, welche bei der Ausfüh- 
rung von Reichsgesetzen hervortreten, und 
über die Bundesexekution in dem Fall, 
daß Glieder ihre Pflichten hierin oder 
sonst nicht erfüllen, zu beschließen, R 7 
und 12. Tatsächlich ist dies nie einge- 
treten, auch nie die Voraussetzung der 
Art, daß ein Gliedstaat eine anerkannte 
Pflicht verletzt hätte. Wohl aber können 
Meinungsverschiedenheiten über den In- 
halt eines Gesetzes und den Umfang einer 
Pflicht eintreten und je größer die Zahl, 
je mehr eingehend die Vorschriften der 
Gesetze werden, desto unsicherer ist ein 
völliger und gleichheitlicher Vollzug in 
allen Teilen des Reichs. Hier besteht für 
den BR eine manchmal schwierige, aber 
ausgleichende und nicht im Sinne dok- 
trinärer Sentenzen, sondern einer zweck- 
mäßigenVerwaltungsbefindung zu übende 
Aufgabe. Nur Verwaltungszweige, welche 
vom Einzelstaat für das Reich ge- 
führt werden, wie z. B. das Zollwesen, 
unterliegen einer stetigen, genauen, im 
BR ihre Spitze findenden Reichskontrolle. 
Ein Bundesverhältnis stellt ferner eine 
enge, unübertragbare Beziehung der Oe- 
nossen dar; der BR daher muß es wahren, 
daß nur die richtigen Bundesglieder in 
ihm zur Vertretung kommen. Seine Pflicht 
der Legitimationsprüfung der Bevollmäch- 
tigten geht nicht nur auf die Vollmacht
	        
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