Bundesrat.
solchen Befugnis für das Parlament. Alle
Rechte, an denen das staatliche Leben
einer Nation hängt, sind korrelativ mit den
Pflichten daraus zu nehmen, wennschon
ein Zwangsschutz einmal ermangeln kann.
Jener Artikel sagt nicht mehr, als daß es
leicht vorkommen kann, daß in der einen
oder anderen Sitzung einzelne Stimmen
nicht mittun, setzt aber eine konstante Be-
schlußfassung voraus und stellt fest, daß
sie durch Präsenz- oder Instruktionsmän-
gel einzelner nicht aufgehalten werden
soll. — Auch hier greift die Doppelnatur
ein, daß der BR zugleich Organ um des
Reiches willen ist und jedes Bundesglied
der Gesamtheit der übrigen gegenüber
zur Betätigung der Bundespflichten ver-
bunden ist. Ein regelmäßiges Unvertre-
tensein eines Staats schon ginge gegen
den Geist der Verfassung sowohl als Ver-
trag wie als Gesetz.
Dagegen ist aus ihr keine Zwangsbe-
schränkung dahin zu entnehmen, daß der
BR nicht auch tätig sein könne über seine
Kompetenz hinaus, selbstverständlich mit
Ausschluß des Eingriffs in fremde Rechte.
Tatsächlich haben auch die Bundesglieder
im BR schon mehrfach praeter constitu-
tionem gemeinsam gehandelt. Zwar kön-
nen sie ohne den Reichstag nie ein Reichs-
gesetz erlassen, wohl aber ein vorhan-
denes einzelstaatliches Verordnungsrecht
oder solche Verwaltungsbefugnisse in der
Form einer bundesrätlichen Vereinbarung
ausüben, sei es, daß deren Inhalt dann in
jedem beteiligten Land einzeln und gleich-
lautend oder gemeinsam vom BR aus er-
lassen wird; diese Form deutsch-einheit-
licher Regelung ist z. B. gewählt worden
hinsichtlich des Freiheitsstrafvollzugs und
des Geheimmittelwesens. Selbstverständ-
lich sind Majorisierungen hier ausge-
schlossen; rechtlich ist jeder solcher Akt
eine Ausdehnung des föderativen Sach-
gebiets, wenn eine Vereinbarung statt-
findet. Es können aber auch bloße Ver-
ständigungen über gleichartiges Handeln
ohne gegenseitige Bindung statthaben.
Umgekehrt gibt es geordnete Fälle, in
welchen einzelne Bundesglieder für ein-
zelne Stoffgebiete vom Bundesverhältnis
rechtlich eximiert sind (Reservatrechte).
Das föderative Recht geht dann nicht wei-
ter, als die Gemeinschaftlichkeit geht, die
Stimmrechte der ausgeschlossenen Staa-
ten im BR entfallen dafür, R 7 Abs 4,
diese enthalten sich einer Abstimmung,
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was auch festgestellt zu werden pflegt; so
z. B. die drei Südstaaten in Angelegen-
heiten der norddeutschen Biersteuerge-
meinschaft mit Ausnahme einer Steuerer-
höhung, welche letztere zugleich eine Er-
höhung der süddeutscherseits zu leisten-
den Aversen bedeutet. Ein bloß tatsäch-
liches Unbeteiligtsein hat keine Rechts-
folge.
Ein Bundesverhältnis ist Verhältnis ge-
meinsamen Zusammenwirkens, nicht das
einer Mediatisierung der Glieder. Der BR
ist keine Instanz über den Gliedstaaten, so
daß Rechtsmittel an ihn eingelegt werden
könnten gegen Verfügungen der Einzel-
regierung. Er kann keine gliedstaatliche
Verfügung aufheben oder Anweisungen
an die Einzelstaatsbehörden erlassen. Au-
Berhalb des Rechtswegs, soweit er über-
haupt an Reichsspruchbehörden geht, ist
die Erhaltung der einzelstaatlichen Selb-
ständigkeit ein Grundprinzip für die ganze
Exekutive; sodann für die Legislative und
für die Justiz in den nicht zum Reich ge-
zogenen Stoffgebieten. Wohl aber hat der
BR über Mängel, welche bei der Ausfüh-
rung von Reichsgesetzen hervortreten, und
über die Bundesexekution in dem Fall,
daß Glieder ihre Pflichten hierin oder
sonst nicht erfüllen, zu beschließen, R 7
und 12. Tatsächlich ist dies nie einge-
treten, auch nie die Voraussetzung der
Art, daß ein Gliedstaat eine anerkannte
Pflicht verletzt hätte. Wohl aber können
Meinungsverschiedenheiten über den In-
halt eines Gesetzes und den Umfang einer
Pflicht eintreten und je größer die Zahl,
je mehr eingehend die Vorschriften der
Gesetze werden, desto unsicherer ist ein
völliger und gleichheitlicher Vollzug in
allen Teilen des Reichs. Hier besteht für
den BR eine manchmal schwierige, aber
ausgleichende und nicht im Sinne dok-
trinärer Sentenzen, sondern einer zweck-
mäßigenVerwaltungsbefindung zu übende
Aufgabe. Nur Verwaltungszweige, welche
vom Einzelstaat für das Reich ge-
führt werden, wie z. B. das Zollwesen,
unterliegen einer stetigen, genauen, im
BR ihre Spitze findenden Reichskontrolle.
Ein Bundesverhältnis stellt ferner eine
enge, unübertragbare Beziehung der Oe-
nossen dar; der BR daher muß es wahren,
daß nur die richtigen Bundesglieder in
ihm zur Vertretung kommen. Seine Pflicht
der Legitimationsprüfung der Bevollmäch-
tigten geht nicht nur auf die Vollmacht