96 Zehntes Buch. Sechstes Capitel.
Königs in einem hohen Grade besaß. Er trug kein Bedenken, sich
auch mit der Herzogin von Chateauroux in Verbindung zu setzen, die,
wie berührt, dem König von Frankreich Gefühle militärischen Ehr-
geizes einzuflößen suchte. In deren Gemächern sah Rothenburg den
König und sprach mit ihm über politische Gegenstände. Er sagte
demselben eines Tages, daß er nicht glaube, mit Amelot zum Ziele
kommen zu können; Ludwig XV antwortete, Amelot solle auch den
Vertrag mit dem König von Preußen gar nicht unterhandeln, über-
haupt nicht lange mehr den Geschäften vorstehen. In kurzem erhielt
dieser Minister in der That seine Entlassung. In einem seiner Be-
richte an König Friedrich sagt Rothenburg ganz unbefangen, er habe
sich mit Noailles, Belleisle und Richelieu verbunden, Amelot zu stür-
zen. Die Franzosen haben behauptet, Friedrich II habe diesen Mi-
nister gestürzt, und unrichtig ist dies nicht, insofern man, das Thun
des Bevollmächtigten dem Herrn zuschreiben kann: in der That
aber hatte Friedrich persönlich keinen Antheil daran und nicht im
Entferntesten den Auftrag dazu gegeben. Die Sache war in Frank-
reich selbst längst im Werke, und ich möchte nicht einmal entscheiden,
ob Nothenburg nicht eben so gut Werkzeug war, wie er Hebel zu
sein glaubte. Indem es aber dahin kam, so gewann die Unterhand-
lung am französischen Hofe eine Gestalt, wie sie am preußischen
hatte: sie bewegte sich außerhalb des gewöhnlichen Geschäftsganges
und war gleichsam die persönliche Sache des einen Königs mit dem
M-
Die Rothenburgs hatten sich einst in frühester Zeit, schon bei
der Erwerbung von Crossen, dem Hause Brandenburg angeschlossen;
dann war ein Zweig derselben in französische Kriegsdienste gegangen
und dort am Hofe und im Heer zu großem Ansehen gelangt; man
darf es als den Höhepunkt ihres Glückes betrachten, daß jetzt ein
Graf Rothenburg, dem einen und dem andern dieser Staaten an-
gehörig, einen französischen Minister zu stürzen beiträgt und ohne
Zuziehung eines preußischen einen persönlichen Auftrag des einen
Königs an den andern vollzieht, der die wichtigsten Angelegenheiten
betrifft.
Bei aller Hingebung für Friedrich schlug Rothenburg zuweilen
fast einen selbständigen Ton an. Es war gegen Friedrichs Wunsch,
daß er mit positiven Vorschlägen herausging. Rothenburg fühlte sich
1) Vergl. Brief des Königs an Rothenburg vom 13. Mai 1744 in den
Oecuyres XXV p. 538: nous traiterons cette fois-ci de roi à roi.