98 Zehntes Buch. Sechstes Capitel.
Eine Bedingung machte Friedrich noch, welche den Franzosen
sehr widerwärtig war: er wollte erst dann ins Feld rücken, wenn die
Tripelallianz mit Schweden und Rußland geschlossen sei. Sie fol-
gerten, daß dann auch der Termin seiner Kriegserneuerung, der auf
den August bestimmt war, nicht fest sein werde; aber dagegen be-
merkten sie wieder, daß es nur darauf ankomme, den König von
Preußen von den Interessen der Feinde zu entfernen und in ein
enges Verhältniß mit Frankreich zu bringen, wenn es auch übrigens
mangelhaft sein möge 1). Nachdem sie noch einige Versuche gemacht
hatten, jene Bedingung zu beseitigen, so unterzeichneten sie den Tractat,
zu Paris, am 5. Juni. Ludwig XV war indeß schon zur nieder-
ländischen Armee gegangen; um kein Aufsehen zu erregen, hatte er
den Abschluß des Tractates nicht im Lager, sondern in Paris voll-
ziehen lassen.
Und so ward jene Waffengemeinschaft wieder erneuert, die zwei
Jahre früher, weil sie zu keinem Resultat mehr führen könne, ab-
gebrochen worden war. Den Franzosen erschien eben, als sie sich ent-
schlossen, ihren Krieg, den sie unter dieser Einwirkung in aller Form
ankündigten, eifriger zu führen, eine plötzliche Hülfe, auf die sie nicht
mehr gerechnet hatten. König Friedrich hoffte allen den feindseligen
Gegenwirkungen, die ihn bedrängten, durch ein entschlossenes Ein-
greifen in diesen Kampf zu entgehen. Sein Weg war kühn und gefähr-
lich; damals und später hat man oft bezweifelt, ob es der rechte war.
Friedrich zog seine Minister erst in das Geheimniß, nachdem die
Sache abgemacht und der Vertrag geschlossen worden. Er stellte selbst
die Gründe und Gegengründe, die dabei zur Sprache kamen, einander
gegenüber; hauptsächlich vom Standpunkt seines Staates suchte er zu
beweisen, daß er die dringendsten Besorgnisse gegen Oesterreich und
England hegen, überhaupt so handeln müsse, wie er handle. Er geht
davon aus, daß man ihm schon gleich beim Friedensschluß Jägern-
dorf und das hohe Gebirge abgepreßt habe; wenn es auch wahr sein
1) Observations générales sur le traité, von Teucin an Noailles ge-
schickt: Comme ce traitc, quelque défectueux du’il soit en ce point, no
peut contribuer qdu’'d attirer9 le roi de Prusse dans les intérets de I’Em-
Pereur et du roi et de Peloigner de ceux des ennemis communs, sans
dqu'il en naisse d'inconvénient nouveau qui puisse porter aucun préjudice
à la situation des affaires, il ne paralt pas convenable de faire aucune
difüculté qui puisse en empecher la conclusion. Noailles à Tencin
2. juin. V’ Eminence a touché la raison decieive. Nos projets no
so uffriroient aucun changement par ce traitö.