Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 29. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. (29)

Rückzug aus Böhmen. 123 
Kriegsregeln, ein Land hinter sich gelassen zu haben, das nun eine 
feindliche Richtung annahm und dem Heere den Weg verschloß, den 
es gekommen war. Was in dem Zusammentreffen der politischen und 
strategischen Tendenzen zu Einem Gesichtspunkte groß und kühn ge- 
wesen, erschien jetzt als ein Fehler; die Raschheit der Auffassung und 
des Entschlusses selbst hatte ihn verführt. 
Man könnte fragen, ob es nun nicht das Beste für ihn gewesen 
wäre, sich sogleich auf einen engen Umkreis von Böhmen zu be- 
schränken und dabei vertheidigungsweise zu Werke zu gehen; allein 
erst allmählich enthüllte sich ihm selbst seine Lage vollständiger; da- 
mals, sagt er wohl, habe er von den österreichischen und sächsischen 
Bewegungen nicht mehr Nachricht gehabt, als geschähen sie in China; 
er hielt an der Hoffnung fest, das große gegen ihn anrückende Heer 
im offenen Felde zu bestehen, und in welchem Lichte wäre er seinen 
Verbündeten erschienen, hätte er die kaum für den Kaiser gemachte 
Eroberung schon wieder aufgeben wollen! 
Das Heer des Prinzen Carl und Grafen Traun vereinigte sich 
mit den Truppen Bathianys am 2. October zu Mirotitz, und da die 
Nachricht einlief, als habe es nach dieser Verstärkung den Weg nach 
Budweis eingeschagen, um seine Verbindung mit Oesterreich herzustellen, 
so ging Friedrich demselben sofort entgegen, in der Hoffnung, daß er 
es auf dem Marsch angreifen und zurückwerfen, darauf aber seine 
Winterquartiere ruhig in Böhmen halten werde. Er trug kein Be- 
denken, in dieser Absicht die Moldau zu überschreiten. 
Gleich diese Bewegung aber zeigte sich fruchtlos. Die österreichische 
Armee hatte nur ein anderes, noch immer femes Lager bezogen, wo# 
sie nicht wohl angegriffen werden konnte; schon setzten ihre leichten 
Truppen durch den Fluß und erschienen im Rücken der Preußen; am 
8. October sah sich der König veranlaßt, über die Moldau zurück- 
zugehen. 
Seine Meinung war hierauf noch immer, den ganzen eingenom-= 
menen Landstrich von Prag bis Budweis zu behaupten und den Feind 
auf dem rechten Moldauufer zu einem Schlachttag zu erwarten. 
So wie Prinz Carl sich entschieden nach der tieferen Moldau 
wendete, und seinen Uebergang hier vollzog, in der Absicht, die 
Preußen von Prag und vielleicht von der Elbe abzuschneiden, schlug 
der König eine entsprechende Richtung ein; hauptsächlich schien es 
bhm wichtig, die starke Position von Beneschau und Konopischt vor 
dem Prinzen einzunehmen; nicht ohne Anstrengung erreichte und be- 
setzte er dieselbe, und erwartete nun die Bewegungen seiner Feinde.
	        
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