Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 29. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. (29)

172 Elftes Buch. Fünftes Copitel. 
Zeiten weit entfernt, für ihren Bruder Partei zu nehmen 1). Wenn 
Georg II einmal, wie oben berührt, in einem diplomatischen Gespräch 
hat verlauten lassen, die Reichsacht müsse über denselben ausge- 
sprochen und sein ältester Bruder an seine Stelle gesetzt werden, so 
lassen wir dahin gestellt, ob dies ein ernstlich gefaßter Gedanke war, 
oder nur die Wirkung einer momentanen Aufwallung. Aber die 
größte Genugthuung hätte es ihm gewährt, Friedrich zu demüthi- 
gen, ihn zur Nachgiebigkeit in den territorialen Irrungen zu nöthi- 
gen und, mochte er wollen oder nicht, doch in die Kreise der 
englisch-hannoverschen Politik zu ziehen. Da trat ihm aber noch ein 
anderer Widerstand, der in der unabänderlichen Beschaffenheit eines 
populären und parlamentarischen Regimentes lag, entgegen. Wir 
haben berührt, wie er in seinen ersten Regierungsjahren gegen Oester- 
reich und Spanien anzugehen, bald darauf, während der polnischen 
Unruhen, für Oesterreich Partei zu nehmen geneigt war, aber es nicht 
vermochte. „In diesem Lande“, rief er einst voll Unmuth aus, „sind 
die Minister König.“ Um dieselben her gab es aber noch eine un- 
abhängige Bewegung, in welcher der Gegensatz der Fractionen des 
Parlaments und die Stimme der Nation zusammenwirkte, welche die 
Minister ein= und absetzte. Der König Georg II war noch nicht so 
constitutionell, daß er sich das ruhig hätte gefallen lassen; nicht ohne 
Gemüthsbewegung sah er Carteret scheiden: dessen Nachfolger, die 
Partei Pelhams überhaupt, die das Ruder führte, erhielten offen- 
bare Zeichen der Ungunst. Das konnte sie nicht irre machen, aber 
da die persönliche Meinung eines englischen Königs doch immer ihr 
Gewicht hat, so durften sie auch nicht in offenen Widerspruch mit 
ihm treten; selbst Männer von Bedachtsamkeit und Ruhe, konnten sie 
dem jetzt ergriffenen System nicht so rasche Folge geben, als sie wohl 
sonst gethan hätten. 
Nun aber traten im Sommer 1745 Ereignisse ein, welche dem 
König, den Ministern und der Nation die Gefahren des Weges zeig- 
ten, auf welchem sie sich bisher befunden hatten. 
In Flandern gewannen die Franzosen entschieden die Oberhand; 
schon am 11. Mai, bei Fontenai, warf der Marschall von Sachsen 
die englischen Anfälle mit großem Verluste zurück. Es ist merkwürdig, 
daß man Anfangs selbst in Paris den glücklichen Erfolg nicht allein 
1) Ueber sein Verfahren mit dem vöterlichen Testament vergl. Horace 
Walpoles Memoirs of the reign of George II, eigentlich the last ten 
Jears (III, 308).
	        
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