192 Elftes Buch. Sechstes Capitel.
beim Uebergang über die Elbe so hervorgethan, und es war wirklich
unmöglich, mit der ersten Linie in diesem lückenhaften Zustande dem
Feinde beizukommen; die Commandeurs hielten für das Beste, sich
zurückzuziehen. In diesem Augenblicke glaubten die Oesterreicher, den
Sieg noch zu erfechten; die Grenadiere stiegen unter dem Geschrei
Maria Theresia die Höhen herunter. Aber schon erschien an der
Stelle der ersten die zweite preußische Linie unter La Motte und
Bonin — sie hatte die Bataillone der ersten durch ihre Zwischen-
räume zurückziehen lassen, um sich in ihrem Rücken zu formi-
ren — 1); bald waren beide Linien wieder miteinander vereinigt; so
stiegen sie die Höhen empor; es war wieder, als wollten sie mit
klingendem Spiel in den Tod gehen; vor ihrem Andringen wichen die
österreichischen Grenadiere; mit ihrem Feind zugleich erreichten die
Preußen die Anhöhe, in einem Augenblick war die große Batterie in
ihren Händen. Während dessen hatte auch das Centrum seinen An-
lauf auf die bewaldeten, mit österreichischem Fußvolk erfüllten An-
höhen genommen; an der Spitze des zweiten Gardebataillons erstieg
sie Prinz Ferdinand. Hiedurch war die Schlacht in der Hauptsache
bereits entschieden. Die österreichischen Truppen zogen sich von den
verlorenen Höhen auf benachbarte zurück, aber sie theilten dadurch
denen, die daselbst aufgestellt waren, nur ihre Unordnung mit; schon
ihr Feuer verrieth eine gewisse Bangigkeit, bald wichen sie allent-
halben. In dem machte auch der preußische linke Flügel, durch die
siegreichen Regimenter, welche Goltz von dem rechten herbeiführte, ver-
stärkt, einen Angriff auf den ihm gegenüberstehenden Feind, warf ihn
ohne Mühe und machte beinahe ein ganzes Regiment zu Gefangenen.
Die Oesterreicher haben 8000 Mann auf dem Schlachtfelde gelassen.
Inzwischen bedienten sich die Ungarn ihres Vortheils, das preu-
Pische Gepäck zu erobern. Ausschließend mit der Hauptsache beschäf-
tigt, hatte der König hier so wenig Rücksicht darauf genommen wie
bei Mollwitz und Chotusitz. —
Ich bin nahe daran gewesen, überrascht zu werden, schreibt
Friedrich noch am Abend des 30. an Podewils; aber Geott sei ge-
lobt, Alles ist gut. Die Schlacht war furchtbar, aber glorreich 2).
1) Der sehr unterrichtende Schlachtbericht des Prinzen Ferdinand schreibt
dem Erbprinzen Leopold einen großen Antheil an diesem Erfolge zu: Le prince
Leopold a marqué ce jour Ià de parties d’un grand général par toutes
les belles dispositions qu’il a pris à la droite de T’infanterie.
2) Das Billet ist mit Bleistist auf einem aus cinem Buche in Duodez
herausgerissenen Blatt geschrieben: nur aus dem Original kann man sehen,