Coccejische Justizreform. 243
Die wiederholten Befehle Friedrich Wilhelms, auf das Schärsste
darüber zu wachen, daß pflichtvergessene Richter abgesetzt, das Recht
ohne Ansehen der Person noch Chikanen verwaltet werde 1), konnten
bei dieser Lage der Dinge nicht weit führen. Obwohl er nicht dahin
zu bringen war, die Besoldungen wiederherzustellen, die er auch in
den höheren Gerichtshöfen verkürzt hatte, so that er doch endlich einen
Schritt, der als Anfang der Verbesserung zu betrachten ist.
Dem Titel nach hatte man zwar schon drei Staatsminister im
Fach der Justiz, aber dies waren Präsidenten verschiedener Collegien,
durch mannichfaltige Arbeiten zerstreut; Friedrich Wilhelm beschloß,
einen Minister zu ernennen, der sich ausschließend der Aufsicht über
die Justiz zu widmen habe. „Er soll weder in einem Justigcollegium
noch in der Verwaltung arbeiten oder mit einer Commission beschäf-
tigt werden, sondern über die hohen und niederen Justizcollegien für
bürgerliche Rechtspflege, geistliche und Criminalsachen, auch über das
Amt des Fiscus, in Berlin wie in den Provinzen die Aufsicht führen:
er soll ihr Generalcontrolleur sein; alle Beschwerden über verzögerte
oder vernachlässigte Justiz sollen an ihn gehen; er soll sie im geheimen
Staatsrath vortragen und die Pflicht haben, sie zu heben“ 2).
Zu dieser Stelle ward ihm Cocceji vorgeschlagen, der, nachdem
er seine Laufbahn an der Universität Frankfurt begonnen, seit mehr
als 30 Jahren in preußischen Gerichtshöfen gearbeitet und schon
mehrere Versuche einer allgemeinen Rechtsverbesserung unternommen
hatte. Er war damals Präsident des Oberappellationsgerichts und
Lehnsdirector; diese Stelle legte er nieder, als er die neue antrat.
König Friedrich Wilhelm machte ihm eine anderweite Besoldung aus.
Es war schon etwas, daß ein Mann von großer praktischer
Uebung, reformatorischem Geist und starkem Willen sich dem Justiz-
wesen im Allgemeinen zu widmen den Auftrag bekam; er begann so-
gleich die Provinzen zu bereisen, was ihm nähere Kenntniß der Miß-
bräuche verschaffte, und schon damals schickte er sich an ?), ein all-
1) Ein solches Schreiben vom 26. Sept. 1737 an Grumbkow, Görne,
Bork, Thulemeier, die eine höhere Commission bildeten, und mit Cocceji, Bie-
bahn und Broich conserirten. Diese erklärten, die Sache sei noch viel schlim-
mer „als man es sich nicht einbilden könne“.
2) Cabinetsordre vom 1. Nov. 1737.
3) Bei den Acten findet sich: S. Maj. des Königs von Preußen (Fried-
rich Wilhelms I) erläuterte und verbesserte Cammergerichtsordnung in dero
Chur und Mark Brandenburg, schon mit einem Einführungspatent versehen,
D. O., wahrscheinlich von 1783, welches die Grundlage des Coder Frideri-
cianus ausmacht.
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