246 Zwölftes Buch. Drittes Capitel.
Diesen Entwurf legte Cocceji bereits im März 1746 dem Ca-
binet vor 1). Er sagte dem König, er wolle ihm eine Probe seiner
fünfzigjähigen Erfahrung geben; zum Ruhme Sr. Majestät wolle er
etwas ausführen, was noch keine Macht der Welt zu Stande ge-
bracht habe.
Die Cabinetsräthe Schumacher und Eichel nahmen beide lebhaften
Antheil an diesem Vorhaben; sie kannten am besten von alter Zeit
her den Inhalt der unaufhörlich einlaufenden Beschwerden. Der König
sprach Zweifel aus, ob man solche Männer, wie Cocceji anstellen
wolle, finden könne, nahm aber den Entwurf mit nach Pyrmont und
machte ihn ganz zu seinem eigenen.
In dem Leben Friedrichs darf es als ein Ereigniß betrachtet
werden, daß ihm, eben indem er die jurisdictionelle Gewalt in seinem
Staate in vollem Umfange erwarb, ein Justizminister zur Seite trat,
der sich vollkommen dazu eignete, ihr eine eigenthümliche Richtung zu
geben. Cocceji war einer der Reformatoren des Naturrechts, er
lehnte dabei die Offenbarung und die eingeborenen Ideen ab; den
göttlichen Willen sah er in der Vernurft, welche die Gesetze begründe.
Sein Standpunkt wird durch die Einwendung von Leibnitz bezeichnet,
daß die göttliche Weisheit Bestimmungen der Gesetze in sich schließe,
wie die Proportionen der Zahlen 2). Cocceji setzte das Naturrecht
mit den Principien des römischen Rechtes in unmittelbare Verbin-
dung, so daß ihm beide zusammenfielen. Diese rationelle Auffassung
des Rechtsbegriffes, die den Ueberzeugungen und Ansichten Friedrichs
conform war, verband sich nunmehr mit der höchsten jurisdictionellen
Gewalt des Königs und bestimmte ihre Ausübung.
Bald nachdem der König von Pyrmont zurückgekommen, traf es sich,
daß eine Klage, die den Stempel der Wahrhaftigkeit trug, über den Zu-
stand des Stettiner Hofgerichtes bei ihm einlief. Da sei ein alter abge-
lebter Präsident, der nichts mehr thue, einige Räthe ohne Studien, und
daher abhängig von andern geschickten Leuten, die aber ihren Vortheil
suchen; die schlechte Justiz bringe himmelschreiende Mißbräuche her-
vor, durch welche das Land zu Grunde gerichtet werde. Auf die An-
frage, ob dem so sei, antwortete Cocceji, daß es nicht allein beim
Hofgericht, sondern auch bei den übrigen pommerschen Gerichten so
1) Schumacher ist der erste, dem der Plan mitgetheilt wurde; er dankt
am 28. März für die Communication und wünscht, daß der „solide und ver-
nünstige Plan von Verbesserung der Justiz einen gesegneten Fortgang haben
möge“.
2) Vgl. die Abhandlung von Trendelenburg, Kleine Schriften, I, 167 fg.