Coccejische Justizreform. 251
ihrem Ungehorsam gegen die Rechtspflege stärke und Edicte publicire,
welche mit der neu eingeführten Ordnung in Widerspruch seien; die
Hauptstreitfragen waren folgende.
Die Kammer forderte, daß in Processen gegen den Fiscal, die
königlichen Aemter oder auch Städte, ohne Conferenz mit ihr kein
Schluß gemacht werden dürfe. Cocceji erklärte dies für verderblich
und unausführbar; die Kammer habe zwar einen Justitiarius, der
aber mit andern Dingen alle Hände voll zu thun habe; jetzt sei auch
die Justiz mit gelehrten und wohlgesinnten Leuten besetzt, und es be-
dürfe dieser Rücksprache nicht mehr.
Das Generaldirectorium meinte femer, daß ihm die Einsetzung
der Justizbehörde in den Städten zukomme. Cocceji erwiderte, wenn
das Justizdepartement für die Fähigkeiten der städtischen Richter stehe,
so müsse es dieselben auch prüfen und die würdigsten Candidaten vor-
schlagen; höchstens die Bestallung wollte er dem Directorium überlassen.
Das Generaldirectorium war der Ansicht, daß die Kammern
Alles behalten sollten, was nicht speciell durch neue Verordnung ihnen
genommen worden. Cocceji antwortete, alles Juridische, was nicht
speciell den Kammern zugewiesen sei, falle den Juristen anheim.
In alle dem trat nun Friedrich auf die Seite der Justiz; er
verbot den Kammern ausdrücklich, sich in die Rechtspflege zu mengen,
und nur so viel ließ er ihnen nach, als zur Aufrechterhaltung ihrer
Stellung im Staate überhaupt gehörte.
Man kennt die Artikel des Codex Fridericeanus, durch welche
den Justizbehörden eingeschärft wird, die Justizsachen nicht allein zu
entscheiden, sondern auch zur Execution zu bringen, auf keine Reseripte
Rücksicht zu nehmen, durch die der strenge Lauf Rechtens unterbrochen
werde, selbst wenn sie aus dem Cabinet kommen sollten, lediglich die
Justiz, auf welche sie geschworen, vor Augen zu haben, namentlich
in Sachen des Fiscus mit den Unterthanen; keine dem entgegen-
laufende Verordnung sollte ihnen zur Entschuldigung dienen 1). Daran
schloß sich eine Cabinetsordre, in welcher den Fiscalen zum Vorwurf
gemacht wird, daß sie ungerechte Sachen anfangen, die Unterthanen
bei dem geringsten Fehler mit weit hergeholten Ansprüchen und darauf
1) Die Worte, die in dem Project des Codex § 15 vorkommen, finden
sich eben so starl in § 18 der erlduterten Preßordnung. Friedrich II bestätigte
sie durch eine eigene Cabinetsordre. Je me suis resolu, sagt er im Test. pol.
von 1752, de ne jamais troubler le cours de procedures. — Les loix
doivent parler et le souverain doit se tairc.