Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 29. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. (29)

268 Zwölftes Buch. Viertes Capitel. 
schieße der Soldat, ohne zu wissen wohin. Wenn er aber meint, daß 
es dem König hauptsächlich auf dieses Schießen angekommen sei, so 
thut er ihm Unrecht. 
Was heißt es, sagt Friedrich, eine Schlacht gewinnen? Es heißt 
den Feind nöthigen, das Feld zu räumen. Ich übe die Truppen, so 
rasch anzurücken wie möglich; sie haben nicht zu schießen, sondern be- 
dienen sich des Bajonnets oder dringen, die Flinte über die Schulter, 
an; so setzen sie den Feind außer Fassung. Nicht das Feuern ge- 
winnt Schlachten, sondern die gute Haltung der Truppen. Auch von 
der Cavallerie verlange ich geschlossene, lebhafte Attaqguen. Da die feind- 
lichen Schwadronen weniger geschlossen sind, so können sie diesem Anlauf 
fast nicht widerstehen; selten kommt es zu dem Gebrauch der blanken 
Waffe. Die Infanterie muß den Feind von dem Schlachtfeld so zu 
sagen hinuntertreiben; die Cavallerie krönt das Werk durch die An- 
zahl der Gefangenen, die sie einbringt. 
Zu diesem Zweck, dem Siege in der Feldschlacht, waren nun 
alle Uebungen eingerichtet. 
Die Truppen lernen sich auf das Rascheste und Mannichfaltigste 
formiren, in Linien oder in Colonnen, bald von dem einen, bald von 
dem andern Flügel her; auf das geringste Wort muß das geschehen: 
die beiden hinteren Linien müssen darin so vollkommen werden wie 
die vordersten. Die Manoeuver größerer Truppencorps sind von 
Friedrich eingeführt, wie er sagt, um die Offiziere im großen Dienst 
zu üben?). 
Aber auch auf alle andere im Kriege mögliche Fälle waren diese 
Uebungen berechnet. Durch die Gehölze marschiren, ohne die Ordnung 
zu unterbrechen, plötzliche Wendungen machen, um dem Feinde in die 
Flanke zu fallen, Rückzüge vollziehen, ohne in Verwirrung zu gerathen, 
bei den Fouragirungen von Husaren angegriffen, sich gegen sie zur 
Wehre setzen, das hauptsächlich machte sie aus. 
Friedrich beschied sich immer, daß er die Kriegskunst nicht all- 
gemein nach ihrem Ideal ausbilden könne, sondern wie sie gegen die 
Nachbarn, von denen er Feindseligkeiten erwarten müsse, nothwendig 
sei. Der Beschränkung, die es ihm auflegt, daß die Hälfte seiner 
Truppen aus Soldaten bestand, die keinen rechten Antheil an der 
Wohlfahrt seines Landes nähmen, blieb er sich jeden Augerblick 
bewußt. 
1) Instruction pour les généraux qui aurom à commander des dé- 
tachemems, des ailes et des secondes lignes des troupes DPrussiennes.
	        
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