Fünftes Gapitel.
Kirche, Wissenschaften.
Die obersten Principien, die in den Conflicten der geistigen und
materiellen Kräfte die Oberhand behalten haben, bestimmen das Leben
in jeder seiner Gestalten.
Wenn Friedrich durch den Gang seiner eigenen Bildung und den
Geist des Jahrhunderts dahin geführt ward, sich von der Herrschaft
der Confession loszureißen, so mußte die große Erwerbung, die er ge-
macht hatte, der überaus zahlreiche Zuwachs seiner katholischen Unter-
thanen, die Politik, die er im Augenblick der Besitznahme ergriffen,
ihn darin mächtig bestärken. Was er einst in jener Marginalresolution
den protestantischen Kirchenbehörden in herben Ausdrücken zu erkennen
gegeben, das wiederholte er milder dem Cardinal Sinzendorf, jeder
seiner Unterthanen möge Gott auf die Weise verehren, die er seinem
Heile für die zuträglichste halte. Er ersucht ihn einmal, den Polen,
bei denen sich Religionsverfolgungen zeigten, das Beispiel von Schle-
sien vorzuhalten und ihnen zu Gemüthe zu führen, wie sehr ihr Ver-
fahren dem göttlichen Gesetze, der christlichen Liebe und dem natür-
lichen Grundsatze der menschlichen Gesellschaft entgegenlaufe. Ich bin
neutral, sagt er von sich selbst, zwischen Rom und Genf; wer den
Andern beeinträchtigt, wird verurtheilt; würde ich mich für eine oder
die andere Religion erklären, so würde ich Parteiung, Verfolgung,
Auswanderungen veranlassen; ich suche den verschiedenen Glaubens-
genossen zu zeigen, daß sie alle Mitbürger sind. Selbst bei Verthei-
lung öffentlicher Unterstützungen, die sich sonst sehr an das kirchliche
Bekenntniß zu knüpfen pflegten, verbat er sich, auf dasselbe Rück-
sicht zu nehmen; nur die größere Bedürftigkeit sollte den Ausschlag
geben.