Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 29. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. (29)

272 Zwölftes Buch. Fünftes Capitel. 
Am zgefährlichsten schienen ihm, trotz mancher freundlicher An- 
näherungen, die Väter Jesuiten, welche auf die höheren Classen, wie 
allenthalben so auch in Schlesien, Einfluß ausübten und den Unter- 
richt in ihrer Hand hatten. Friedrich sah sie im Anfang als An- 
hänger von Oesterreich an. Um nicht von ihren Feindseligkeiten be- 
drängt zu werden, faßte er den Gedanken, wie er sagt, dem Altare 
den Altar entgegenzusetzen. Er berief Jesuiten aus Frankreich, welche 
die einheimischen an Bildung übertrafen, sie in dem Einfluß auf die 
höheren Classen der Einwohner verdrängten und sich dem preußischen 
Interesse ergeben zeigten. 
Ueberall kam es darauf an, die politische Seite der religiösen 
Gegensätze unschädlich zu machen, ohne dem ergriffenen Princip zu 
nahe zu treten. 
Lag nun aber nicht in dem Zusammenhang der Katholisch-Gläu- 
bigen mit einem gemeinschaftlichen Oberhaupte, welches die alten 
hierarchischen Grundsätze geltend machen mußte, schon an sich eine 
politische Gefahr? War die Einwirkung von Rom nicht mit dem be- 
sonderen Wesen des preußischen Staates in innerem Widerstreit? 
In Berlin hatte man zuweilen die Anwandlung, die Streitfragen, 
die natürlicherweise entstanden, theoretisch auszufechten. 
Friedrich sagt in einer seiner Cabinetsordres: in allen Dingen, 
die keinen Glaubensartikel angehen, sei er der oberste Bischof im 
Lande und habe keine andere Autorität zu erkennen. In einem Auf- 
satz, den man für den Römischen Stuhl bestimmt hatte, heißt es 
wörtlich: wenn die Römische Kirche im Preußischen die Rücksicht ge- 
nieße, die man ihr in katholischen Ländern widme, so geschehe das 
unter der Bedingung, daß der Römische Hof auch dem König von 
Preußen alle die Rücksicht gewähre, welche er gegen katholische Fürsten 
habe, und der Clerus ihm ebenso gehorsam sei; die Religion, die er 
bekenne, dürfe ihm nicht die Rechte schmälern, deren sich anderwärts 
die Fürsten erfreuen. 
Zuletzt hielt er jedoch nicht für gut, mit dem Römischen Stuhl 
über Grundsätze zu kämpfen, in denen derselbe vielleicht niemals nach- 
geben konnte, und, wie schon angedeutet, das Leben mußte ausgleichen, 
was die Theorie nicht zu versöhnen wußte. 
Das Glück wollte dem König Friedrich so wohl, daß er eben 
ein solches Oberhaupt des schlesischen Clerus fand, wie er bedurfte: 
der Cardinal-Erzbischof Sinzendorf ging auf seine Gesichtspunkte ein 
und schloß sich ihm persönlich an. 
Zuweilen kam er nach Berlin, wo die Erscheinung eines Römi-
	        
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