Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 29. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. (29)

286 Zwöljtes Buch. Funftes Capitel. 
wegte sich in gewandter Schmeichelei, die den Erfolg hatte, ihm seine 
Tage angenehm zu machen; aber niemals war er vollkommen hin- 
gegeben, weder gegen seine Freunde, noch selbst in Angelegenheiten 
des Herzens. 
Wir wollen des ehrlichen Darget, der hauptsächlich ein geschickter 
Secretär, und Chasots, der ein gern gesehener Adjutant, aber nicht 
viel mehr war, nicht ausführlicher gedenken; die größte Aufmerksam- 
keit von allen erregte Voltaire, als er sich endlich bewegen ließ, die 
vortheilhafte Stellung anzunehmen, die ihm Friedrich für immer in 
Berlin anbot. Die Einladung traf gerade in eine Zeit, wo Vol- 
taires Empfindlichkeit durch kleine Zurücksetzungen in der Pariser Ge- 
sellschaft gereizt war. Friedrich, der von Jugend auf, geschäftliche 
Unterbrechungen ausgenommen, den ganzen Tag über französisch sprach, 
so daß man sich lange an seinem Hofe aufhalten konnte, ohne ein 
deutsches Wort zu hören, hatte einen unüberwindlichen Trieb, all- 
gemeine Gedanken und Gefühle in französischen Versen auszudrücken. 
Zur Ausbildung der intellectuellen Selbständigkeit, um nicht dem 
Einheimischen und Angestammten, wo oft die Gewohnheit als die Re- 
gel gilt, blindlings zu verfallen, hat man seit den Zeiten der Römer 
die Uebung eines erlernten und fremden Idioms für nöthig gehalten. 
Die damaligen Höfe trieben dies sämmtlich bis zur Vernachlässigung 
der Muttersprache; Friedrich wünschte wenigstens, da er nun einmal 
so viel französisch schrieb, es so vollkommen zu thun als möglich, denn 
es war ihm widerlich, in irgend einer Sache, die er vornahm, nicht 
zur Meisterschaft zu gelangen. Er entschloß sich der Schüler des Man- 
nes zu werden, der die französische Sprache mit Virtuosität, und 
zwar einer solchen die auf Studium und Einsicht beruhte zu behandeln 
wußte. Voltaire war, wie er einmal selbst sagt, recht eigentlich der 
Grammatiker Friedrichs; er hatte die Gedichte desselben, die zum Theil, 
aber nur in wenig Exemplaren vorläufig gedruckt waren, durchzusehen, 
die Mangelhaftigkeiten des Ausdruckes zu bezeichnen, Verbesserung 
desselben anzugeben. Er zeigte sich keineswegs als ein nachsichtiger 
Lehrmeister; zuweilen hat er. die Arbeiten Friedrichs völlig verworfen, 
und sie der Vernichtung Preis zu geben gerathen; manches hat der 
König zwanzig Mal umgearbeitet, und auch dann ward es noch nicht 
gut gefunden; Voltaire hat hie und da sehr umfassende Verbesse- 
rungen vorgeschlagen, die der König annahm. Eins und das Andere 
aber erschien dem Altmeister auch von Anfang vortrefflich; er sagt 
einmal, er werde seinen Meißel nicht an der Gruppe des farnesischen 
Herkules versuchen. Ueberhaupt wußte er das literarische Talent seines
	        
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