— 1593 —
zeistaat ist der Umstand, daß im Verfassungsstaat die Anwendung
von Gewalt durch Gesetze eingeschränkt und geordnet ist.
Das hängt zusammen mit dem das heutige Staatsrecht beherrschen -
den Grundsatz von der Trennung der Gewalten. Im Polizeistaat
war der Inhaber der vollziehenden Gewalt gleichzeitig Gesetz-
geber, und es bestanden daher für ihn naturgemäß keine anderen
Schranken, als die seines eigenen Willens und diejenigen, welche
die Natur der Dinge ihm setzte. Im Verfassungsstaat dagegen
ist die Gesetzgebung in andere Hände gelegt, oder es sind wenig-
stens andere Faktoren zur Gesetzgebung mitberufen als zur Ver-
waltung. Die Gesetzgebung regelt nun den Gang der Verwaltung,
und die letztere kann ihre Wirksamkeit nicht im Widerspruch zu
den Gesetzen entfalten.
Nach manchen Schriftstellern ' sollen nun Zwangsgewalt und
Gesetz gerade in umgekehrtem Verhältnis stehen, als hier dar-
gestellt. Sie behaupten. daß die staatliche Zwangsgewalt sich
grundsätzlich vom Gesetz herleite, so daß also der Staat nur dann
Zwang anwenden dürfe, wenn das Gesetz es ihm erlaube. Da-
nach würde also das Gesetz die Zwangsgewalt schaffen. Das ist
aber eine völlige Umkehrung des natürlichen und historischen
Verhältnisses. Die Zwangsgewalt ist etwas in der Wirklichkeit
Vorhandenes, Tatsächliches; das Gesetz selbst kann sich überhaupt
nur unter der Voraussetzung ihres Vorhandenseins Geltung ver-
schaffen; es ist also begrifflieh unmöglich, daß es sie erst hervor-
bringt. Auch zeitlich war, wie gesagt, die staatliche Zwangs-
gewalt vor dem Verfassungsstaat da; dieser hat sie beschränkt,
ihre Anwendung an Bedingungen geknüpft. sie mit Garantien
umgeben, aber er hat sie nicht geschaffen.
Man müßte da schon zu der wunderlichen Vorstellung greifen,
im Moment der Entstehung des Verfassungsstaats (der keineswegs
überall sicher ist) sei der vollziehenden Gewalt von Gesetzes wegen
die Befugnis zum Gebrauch ihrer sämtlichen Zwangsmittel ge-
1 So E. v. MEIER in HOLTZENDORFFs Enzyklopädie II. S. 652.