292 L Buch. Fünftes Capitel.
sein Wesen gleichsam aus wei verschiedenen Tendenzen bestanden habe,
von welchen die eine in diesen, die andere in jenen hervortrete.
Wir können die Betrachtung der ersten Epoche Friedrichs nicht
schließen, ohne das Verhältniß seiner allgemeinen Ansichten und seiner
Regierung noch mit ein paar Worten zu erörtern.
Meinungen und Regierungsweise des Königs.
Ich möchte nicht wagen, aus den literarischen Arbeiten Fried-
richs, wie sie in jenen Zeiten, jener Umgebung entstanden, ein System
von allgemeinen Gedanken zu entnehmen.
Manches der bedeutendsten Werke der alten und neuen Literatur
eignete er sich erst noch an; unter den Anregungen der Lectüre, des
Umganges und des Lebens machte er bald einen, bald einen andern
poetischen Versuch, bei dem er oft nur die Geschäfte zu vergessen,
eines Eindruckes, der ihm unangenehm war, Herr zu werden suchte.
Wollte man ihn als einen Schriftsteller betrachten, der das Publicum
belehren oder vergnügen will, so würde man ihn verkennen; seine
Werke tragen den Charakter des Gelegentlichen und individuell Mo-
mentanen. Darin wich er ganz von Voltaire ab, daß dieser nur
für die Wirkung auf die Leser arbeitete, er dagegen eine unbedingte
Freude an der Production an und für sich hatte.
Unter den größeren Arbeiten begegnet uns zuerst das Palladium,
ein komisches Heldengedicht, worin die falsche Frömmigkeit und die
Zuchtlosigkeit der Feinde aus dem letzten Kriege in großen karikirten
Zügen verspottet wird 1); ein Phantasiestück in Callots Manier, voll
von Talent, aber ungezügelt und wild.
1) Man weiß, daß die Gefangennehmung Valoris, der als das Palla-
dium betrachtet wird, den Gegenstand desselben ausmacht. Dennoch konnte
Balori es nie in seine Hände bekommen. Toute la grace, schreibt er am
24. Januar 1750 an seinen Hof, der auch sehr begierig danach war, que mes
instances ont pu obtenir a été, qu'on m’en feroit la lecture devant (le
roi) de sorte que je me suis rendu dans son cabinet, on le M’ Darget,
son lecteur, en lut 4 chants. C'est un ouvrage extrememont badin et
plaisant au possible, il est eflectivement de nature à ne pouvoir éetre
confic. — — Cet ouvrage est d'autant plus singulier, qu'il a été fait en
peu de temps. II a étée imprimé dans une des chambres du chäteau, avec
toutes les précautions les plus cxactes. Le livre est orné de vi-
gucttes et d’estampes à chaque commencement du chant, on je suis
peint comme le Palladion des Prussiens que le prince Charles veut
enlever.