298 Zwölftes Buch. Fünftes Capitel.
Bruder zu überlassen, den er in dieser frühern Zeit ungemein hoch
hielt. Eins wäre ihm freilich unbequem gewesen, einen fremden
Willen über sich zu fühlen, und er dachte sich Einrichtungen aus, wie
dem vorzubeugen sei; aber das Glück, zu gebieten, reizte ihn nicht,
noch der Besitz großer Geldmittel; er würde, sagte er, mit 12000,
ja mit 1200 Thaler leben können, er würde Freunde haben, und
ihr wahrer Freund sein, nur den Wissenschaften würde er sich
widmen.
Indem er dem nachsinnt, und in dem Gedanken schwelgt, nichts
zu sein als ein einfacher, aber ganz unabhängiger Gelehrter, sieht er
doch, wenn er die Umstände und Persönlichkeiten überlegt, besonders
in kritischen Augenblicken, wie deren so viele kamen, daß alles dies
unmöglich ist. „Ich habe ein Volk“, ruft er aus, „das ich liebe,
ich muß die Last tragen, welche auf mir liegt, ich muß an meiner
Stelle bleiben.“
Was macht den Menschen, als der innere Antrieb und Schwung
seines moralischen Selbst?
Wir wollen nicht sagen, daß jene Stimmung die vorherrschende,
daß Friedrich nicht von dem Gefühl des geborenen Königs fortwäh-
rend durchdrungen gewesen sei; aber er ging nicht darin auf: die
Reflexion, daß er es auch nicht sein könne, die Neigung selbst, einem
andern Beruf zu leben, schärfte sein Pflichtgefühl für diesen, der ihm
durch Geburtsrecht zu Theil geworden.
Wir mögen es nicht unerwähnt lassen, was er selber sagt, daß
er oft lieber der Morgenruhe noch genossen hätte, aber sein Diener
hatte den bestimmtesten Befehl, sie ihm nicht länger zu gönnen; der
Grund, welchen Friedrich angiebt, ist, daß die Geschäfte sonst leiden
würden.
Er bekennt einmal, es mache ihm ein größeres Vergnügen, sich
mit literarischen Arbeiten zu beschäftigen, als mit der Verwaltung
der laufenden Geschäfte; aber er fügt hinzu, daß er darum diesen
doch keinen Augenblick der Thätigkeit und Aufmerksamkeit entziehen
würde, denn dazu sei er geboren, sie zu verwalten.
Ein Fürst, sagt er in dem politischen Testament, der aus Schwäche
oder um seines Vergnügens willen das edle Amt versäumt, das Wohl
seines Volkes zu befördern, sei nicht allein auf dem Thron unnütz:
er mache sich sogar eines Verbrechens schuldig. Denn nicht dazu sei
der Fürst zu seinem hohen Rang erhoben, und mit der höchsten Ge-
walt betraut, um sich von den Gütern des Volkes zu nähren und
im Glück zu schwelgen, während die ganze Welt darbe. „Der Fürst