Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 29. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. (29)

Meinungen und Regierungsweise des Königs. 305 
der Welt auf den preußischen Hof lenkten. Hätte Friedrich Wilhelm 
wirklich, was er nach den alten Berichten beabsichtigt haben soll, den 
Sohn hinrichten lassen, so würde der Staat, den er aufrecht erhalten 
wollte, vielmehr in Gefahr gerathen sein, sofort wieder umgestürzt 
zu werden. Er hätte einen geistigen Selbstmord begangen: oder viel- 
mehr, wenn der Ausdruck erlaubt ist, das eine Janushaupt hätte 
das andere erschlagen. In allen wesentlichen Dingen zeigte sich eben 
dieser Sohn als der wahre Fortsetzer des Vaters; an ihrem Beispiel 
sieht man, wie ein Zeitalter sich aus dem andern entwickelt, zu glei- 
cher Zeit Identität und Verschiedenheit möglich sind. Nur Weiter- 
bildung ist die rechte Fortsetzung. Zur Gründung gehört ein noch 
von der Unwillkührlichkeit des ersten Antriebes umfangener starker 
und rücksichtsloser Wille; die Durchführung fordert eine selbstbewuß- 
tere und umsichtigere Thatkraft. 
Friedrich vereinigte die strenge Staatsordnung des Vaters mit 
den ihm eingebornen Culturbestrebungen, wodurch der Widerspruch 
des soldatischen Wesens mit den Tendenzen des Jahrhunderts ver- 
mittelt ward. Seine glücklichen Kriegsunternehmungen gehörten dazu, 
um dem Staate die Kräfte zu gewinnen, deren er noch bedurfte, ihm 
Haltbarkeit, Ansehen und Rang in der Welt zu geben. 
In der Heerführung blieb Friedrich fortwährend einiger Lehren 
eingedenk, welche ihm einst, bei jener Anwesenheit im kaiserlichen 
Lager, Prinz Eugen von Savoyen gegeben hatte; eine namentlich, 
die Geschichte der frühern Feldzüge zu durchdenken, sich die Lage der 
Generale zu vergegenwärtigen, um in dem Geiste die Fähigkeit aus- 
zubilden, in dringenden Momenten das rechte Mittel zu ergreifen, 
hat er nie vergessen; er bekannte sich zuweilen als ein Schüler Eugens, 
doch war es die Schule aller großen Feldherren, in die ihn dieser 
geführt, der er sich in den eifrigsten Studien hingegeben hatte. 
In der Politik dürfte man sich nicht einmal an Vorbilder halten, 
da die Zeiten sich unaufhörlich verändern, und Einsicht in die sich 
bildende Gegenwart die Summe davon ausmacht. 
Was man sonst wohl dafür fordert, Kenntniß der Formen, 
Schonung und rücksichtsvolle Rede war nicht Friedrichs Sache; er 
sprach mit Lebhaftigkeit und sparte die Sarkasmen nicht; seine Aeuße- 
rungen, von Mund zu Mund getragen, haben ihm an den meisten 
Höfen Feindseligkeiten erweckt, ja selbst Nationen, wie die Ungam, 
gegen ihn aufgereizt; ein guter Diplomat wäre er nicht geworden. 
Die Eigenschaften aber, welche zur obersten Leitung der Geschäfte ge- 
hören: Bewußtsein der eigenen Stellung und ihrer —* 
v. Nauke Werle LXII.
	        
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