Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 29. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. (29)

306 Zwölftes Buch. Fünftes Capitel. 
natürlichen Scharfblick des Geistes, vor dem jede Täuschung zerrinnt, 
Gefühl von dem, was sich ausrichten läßt, kluge Mäßigung, ver- 
schlagene Entschlossenheit, besaß er von Natur und bildete sie täglich 
mehr aus. Nur dadurch konnte ihm die nach dem Begriffe der Zeit 
verwegenste Unternehmung gelingen; das politische Talent hatte daran 
nicht geringeren Antheil, als die Heerführung. 
Noch entsprach die Stellung, die er nun einnahm, mit nichten 
dem, was man sich im Allgemeinen von einer neu zu begründenden 
Macht hätte denken können. Wäre es auf Friedrich angekommen, so 
würde er sich in ein ganz anderes Verhältniß zu Deutschland ge- 
setzt, Westpreußen an sich gebracht, die Grenzen nach der sächsischen 
Seite erweitert haben, denn höchst ungern sah er seine Hauptstadt 
den Anfällen eines gefährlichen Nachbarn ausgesetzt, die östlichen 
preußischen Lande von den übrigen Provinzen getrennt; er hätte sich 
wahrscheinlich auch zur See bewaffnet 1); allein die gemachten Er- 
fahrungen verboten ihm jeden Gedanken dieser Art. 
Auch in den beschränkten Grenzen aber, in denen er sich halten 
mußte, hatte er eine Macht gegründet, unantastbar und unüberwind- 
lich, dem Wesen nach von Niemand abhängig. Ihre letzte historische 
Grundlage war das reichsgesetzmäßige Fürstenthum mit seinen Erb- 
rechten und Anwartschaften, allein die Monarchie Friedrichs erschien 
hievon losgerissen, ihre Nothwendigkeit in ihrem Dasein tragend; der 
protestantisch-continentale norddeutsche Staat, zu dem Jahrhunderte 
lang Volk und Fürst, Anstrengung und Talent, so wie das gute Glück 
gewirkt, war zu Stande gekommen. 
Wie im Eingange berührt, die großen Mächte hatten sich auf 
der Grundlage der frühern Völkerbildungen und religiös-politischen 
Weltereignisse erhoben. Die flavisch-griechische Welt concentrirte sich 
in der russischen Autokratie; die romanisch-katholische in dem bour- 
bonischen Königthum; eine katholisch-germanische Weltmacht stellte 
sich in Oesterreich dar; England beruhte in seinem damaligen Zu- 
stand auf der Ausschließung der Katholiken, und beherrschte das 
Meer. 
1) Wenn Preußen Danzig besäße, alors, sagt er im testament poli- 
tique von 1752, je conseillerais M’avoir une trentaine de galeres avec 
duelques bacs, comme les Suédois, sur lesquels ils ont des batteries 
Tonsiderables qui entre les lles forment un mele et servent à défendre 
les galères qui sont à la rade, on pourroit outre cela entretenir 8 ou 
frégates qui escarteront ces galèeres aux lieux on Pon en aguroit 
besoin.
	        
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