Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 29. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. (29)

38 Zehntes Buch. Drittes Capitel. 
hand bekam, waren bereit, sich auch dieser Bewegung anzuschließen. 
Die Wortführer der beiden Seemächte zeigten sich von einem sonder- 
baren Entbusiasmus erfüllt. Engländer und Holländer hielten sich 
für berufen, in Deutschland einen Zustand wiederberzustellen, wie er 
vor vierzig Jahren, zur Zeit des spanischen Erbfolgekrieges, gewesen 
war, und zweifelten nicht, das auszuführen; alle Reichsfürsten wür- 
den sich ihnen beigesellen; in kurzem werde man, wenn nicht schon 
einen Kaiser, doch wenigstens einen römischen König aus dem öster- 
reichisch-ungarischen Hause sehen. » 
Wir wollen die Armee nicht auf ihrem Wege begleiten; im 
Laufe des Mai finden wir sie in der Nähe von Frankfurt (das der 
Kaiser, wie gesagt, verlassen hatte), wo dann die Oesterreicher ihr 
Hauptquartier zu Höchst, die Engländer und Hannoveraner am Gut- 
leuthaus aufschlugen. Das letztere zog einige Aufmersamkeit in ethno- 
graphischer Beziehung auf sich; schon durch die Abwechselung zwischen 
Rauferei und erbaulichen Abendandachten bei den Hannoverane, 
noch mehr durch den Anblick der wohlgenährten und gut mit Geld 
versehenen, zum Theil- von ihren Frauen begleiteten Engländer; sie 
machten in ihrem Scharlach, ihren feinen Gewehren eine gute Figur; 
man bemerlte, daß sie stark von Brust und „Auochen, zum Aushalten 
der Strapazen vortrefflich geeignet seien. Der König von Preußen 
würde sie mit Vergnügen mustern; wären sie aber in seiner Weise 
eingeübt, so würden sie sich noch einmal so gut ausnehmen. Gegen 
die Deutschen zeigten sie sich leutselig; beim Anblick der Franzosen 
stieg ihnen das Blut ins Gesicht. 
Indem sie noch hier verweilten, ewann der Krieg, den sie zu 
führen gekommen waren, gegen den Kaiser und die Franzosen, bereits 
eine Entscheidung an einer andern Stelle. 
Wärc es auf den Kaiser angekommen, so hätte er sich nock ein- 
mal in den Angriff gegen Oesterreich gewerfen; aber Veder bie deut- 
schen noch vollends die französischen Generale, die um ihn, waren, 
hielten dies für thunlich: sie zogen es vor, sich in einer ungeheuern 
Linie auszustellen, die sich ven Braunau am Inn bis nach' Dingol- 
fing an der Isar und alsdann längs dieses Flusses bis nach Platt- 
ling und Deggendorf binzog, von wo sie, wenigstens in einzelnen Po- 
sitionen, Eger erreichen sollte. An sich eine Thorheit, eine Defensive 
von so unermeßlicher Ausdehnung zu versuchen; zier aber um:so mehr, 
da die Anführer nicht allein, sondern auch die Nationen untereinander 
uneinig waren. Der Kaiser besaß so wenig durchgreifendes Ansehen, 
daß Broglie eben das immer zu thun schien, was ihm mißfiel..
	        
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