Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 29. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. (29)

58 Zehntes Buch. Viertes Capitel. 
aber man müsse demselben erträgliche Bedingungen machen, damit 
er bündig Verzicht leisten könne. 
Allein mit seinen Anmuthungen kam er keinen Schritt vorwärts. 
Die Königin entschuldigte sich mit den Rücksichten, die sie gegen ihre 
Verbündeten nehmen müsse, oder mit der Jahreszeit, die mehr zur 
Kriegführung als zu Unterhandlungen auffordere. Jeder Annäherung, 
die zu irgend einem Anspruch hätte führen können, wich sie aus, wie- 
wohl man ihr sagte, daß ein solcher niemals gegen sie gerichtet wer- 
den solle 2). 
Wohl brachte indessen der Neicstag nach langen Berathungen 
ein Conclusum zu Stande, nach welchem das Reich selbst die Ver- 
mittelung zwischen der Königin und dem Kaiser übernehmen und dazu 
die Theilnahme von England und von Holland nachsuchen wollte; 
aber die Seemächte waren eben so entschlossen, den Krieg zu führen, 
wie die Königin: das Reich mußte erleben, daß seine auffordernden 
Ausschreiben gar nicht einmal recht beantwortet wurden. 
Und nun erfolgte die Schlacht von Dettingen, die zwar Anfangs 
zu einer Vereinbarung mit dem Kaiser führen zu sollen schien, gar 
bald aber eben die entgegengesetzten Beschlußnahmen nach sich zog, 
im offenen Widerspruch mit dem, was durch jene bestimmten Erklä- 
rungen Georgs II verheißen war. Der sonderbare Fall trat ein, wo 
ein Wortbruch nicht persönlich angerechnet werden kann, indem er dem- 
jenigen, der ihn beging, von einer überlegenen Partei als ein Zwang 
auferlegt wurde; aber der König von Preußen, dem man dieses Ver- 
hältniß, wie berührt, auf das Sorgfältigste verheimlichte, konnte in 
dem ganzen Verfahren nichts anderes als Treulosigkeit erblicken, vor- 
herberechnet zu den Absichten, die sich sogleich zu erfüllen schienen. 
Indem man nach der Annäherung des Kaisers an England eine 
Rückgabe seines Erblandes erwartete, mußte man vernehmen, daß die 
Einwohner von Baiern der Königin von Ungarn hatten huldigen 
müssen. In einem Reseript an ihre Bevollmächtigten sagte sie, es 
sei nicht nöthig, sich darüber zu äußern, ob die Pflicht der Treue als 
eine vorübergehende oder als eine immerwährende zu betrachten sei. 
Welchen Sinn dies habe, ließ sich nicht bezweifeln, als man jene 
Andeutungen über eine Vertauschung Baierns mit Neapel vernahm. 
Wie oft hatte Friedrich erklärt, er werde den Kaiser nicht unterdrücken 
noch seiner Erblande berauben lassen. Die Erhebung des Großherzogs, 
1) Der Antrag, den der Wiener vof machte, war sehr eigenthümlich: 
eine Allianz de non offendendo.
	        
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